Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
Vom Netzwerk:
Trugbild gewesen? Cerryl durchlief ein Schauder, dann steckte er das Glas zurück ins Versteck.
    Wer war sie? Die Frage blieb unbeantwortet. Cerryl stand auf und ging zur Tür. Er legte die Hand auf den Türriegel und schüttelte den Kopf. Dann öffnete er den Bretterverschlag vor dem Fenster, um die kühle Abendluft in die Kammer zu lassen. Er hoffte, die Brise würde nicht zu viele Mücken mit sich bringen.
    Als er wieder zum Bett kam, fiel sein Blick auf die drei Bücher, die dort nebeneinander lagen – Olmas Schönschreibheft, Geschichte Candars und das abgegriffene Buch ganz hinten: Die Farben der Weiße. Wenn er die wenigen Seiten der Farben der Weiße, die er sich bereits hart erarbeitet hatte, richtig verstanden hatte, bestand das Buch aus zwei Teilen, aber der zweite Teil fehlte. Der erste erzählte davon, warum die Weißen Magier Fairhaven erbaut hatten, der zweite Teil handelte angeblich davon, wie Chaos und Ordnung funktionierten; und genau das war es, was er unbedingt brauchte und wissen musste.
    Was nützte ihm Geschichte? Einige Abschnitte waren vielleicht ganz interessant – wie der Fall von Lornth oder der Aufstieg von Sarronnyn, oder die Geschichten über Cyador – doch das meiste erschien Cerryl unbrauchbar für seine Zwecke. Er wollte wissen, was ein Weißer Magier war, welche Fertigkeiten und Begabungen man dazu brauchte und wie man diese Fertigkeiten üben und weiterentwickeln konnte.
    Außerdem las sich das Geschichtsbuch nicht sehr gut, er kam nur stockend voran, da er so viele Wörter darin nicht verstand. Er holte tief Luft und seine Augen wanderten zu dem Buch in der Mitte; Erhana hatte es ihm geliehen – Olmas Schönschreibheft. Dabei handelte es sich um ein Kinderbuch über Buchstaben. Cerryl kämpfte sich durch die Seiten, lernte stur Buchstabe für Buchstabe; erst wenn er alle Buchstaben auf einer Seite beherrschte, ging er zur nächsten über.
    Mit einem resignierten Seufzer schlug er das Buch auf.
    Zumindest im Sommer war es noch hell genug, wenn er mit der Arbeit und dem Abendessen fertig war, um ohne das Licht des Kerzenstummels auszukommen. Mit jedem Jahr wurden sein Sehvermögen im Dunkeln und seine Sinne schärfer. Nur in der pechschwarzen Nacht hatte er Schwierigkeiten beim Lesen, doch bis dahin war noch Zeit und außerdem würde er dann schon längst zu müde sein, um mit den selbst erteilten Buchstabenlektionen fortzufahren.

 
XVIII
     
    C erryl kam aus der warmen Küche auf die vergleichsweise kühle Veranda, sein Bauch war ganz aufgebläht vom vielen Hammeleintopf, den er gegessen hatte. Seine Arme und Beine und der Rücken schmerzten. In den letzten Achttagen hatte er die meiste Zeit in den höher gelegenen Wäldern zusammen mit Viental und Brental verbracht. Er hatte gelernt zu beurteilen, wann ein Baum gefällt werden konnte und wann er gefällt werden musste. Das war ihm nicht schwer gefallen. Nicht ganz so einfach fand er jedoch die Arbeit mit der Axt und der Zweimannsäge.
    Die Axt machte ihm in der gleichen Art und Weise zu schaffen wie das Sägeblatt; die Dunkelheit des geschliffenen Eisens fühlte sich an wie Feuer und Eis zugleich. Das ehrliche Eisen der Axt glühte heiß unter seiner Berührung, fast hätte er sich die Finger daran verbrannt, obwohl sie schon voller Schwielen waren.
    Vielleicht kam Erhana noch auf die Veranda, wenn sie mit dem Abwasch fertig war. Cerryl hoffte es. Er ging zum nördlichen Ende der Veranda und blickte zu den Hügeln hinauf, in denen er nun die meiste Zeit verbrachte. Mit der einsetzenden Dämmerung hob auch das leise Summen der Insekten und das Zirpen der Grillen an.
    »Dylert hat noch viel Holz dort oben«, sagte Rinfur hinter ihm. »Man sagt, dass der Familienfreibrief bis auf seinen Urgroßvater zurückgeht.«
    »Zu viel Holz«, schnaufte Viental, der schon auf der obersten Verandastufe stand. »Zu langer Tag. Zu viele Stämme gefällt. Ich muss mich hinlegen.«
    »Das kommt nicht vom Holzfällen«, lachte Rinfur. »Das kommt vom Essen. Du hast für drei gegessen. Einer von deiner Sorte ist aber schon mehr als genug.«
    »Sehr lustig«, sagte Viental. »Wir sollten dich mitnehmen zum Holzfällen. Bis jetzt haben ja deine Pferde immer die schwere Arbeit machen müssen.«
    Rinfur lachte gut gelaunt. »Das kommt, weil ich klüger bin als die Pferde.«
    »Nicht viel«, antwortete der stämmige Arbeiter, während er die Stufen hinunterging.
    »Es reicht gerade«, gab Rinfur zu und trat neben Cerryl. Schweigend standen sie eine

Weitere Kostenlose Bücher