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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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verschlungenen Wegen der Westhörner von ihrer Garde erschlagen.
    Dieser Sohn, sie nannten ihn Creslin, wuchs heran zu einem starken Jüngling, klug wie seine Mutter, die Marschallin. Noch bevor er das Alter erreichte, das ihm Tod oder Verbannung eingetragen hätte, flüchtete er aus den Bergen und nahm das Amulett der Dunkelheit mit sich, das die Kräfte der Weiße und des Richtigen über lange Jahre hinweg fern gehalten hatte.
    Er kam nach Fairhaven und gab vor, ein armer Soldat zu sein. Aber die Brüder vermochte er nicht zu täuschen. Sie entlarvten die Tarnung, nahmen ihn gefangen und verbannten ihn zum Bau der Großen Straße, weit weg von Fairhaven.
    Die Mächte der Dunkelheit mit ihren unergründlichen Pfaden verdarben eine junge Frau und Weiße Magierin aus dem fernen Westen; sie täuschten die Frau, sodass sie glaubte, sie könnte der Herrschaft der Dunkelheit nicht entrinnen, und verleiteten die Magierin Megaera dazu, den Schwarzen Dämon, zu dem Creslin inzwischen geworden war, zu befreien …
    D IE F ARBEN DER W EISSE
    (Handbuch der Gilde von Fairhaven)
    Vorwort

 
XVII
     
    I m trüben Licht des langen Sommerabends sah sich Cerryl in seinem Zimmer um, das kaum größer als eine Abstellkammer war. Er warf schnell einen Blick zur Tür und nahm dann den kleinen, silbern gerahmten Spiegel aus seinem Versteck hinter dem Wandbrett in der Nische. Sein Antlitz blickte ihm entgegen – dunkelbraunes Haar, ein beinahe dreieckiges Gesicht mit breiter Stirn, weit auseinander stehende graue Augen und ein schmales, fast spitzes Kinn.
    Er betastete sein Kinn – noch immer keine Anzeichen von Bartwuchs, und das mit fast vierzehn Jahren. Schließlich legte er den Spiegel auf den Hocker. Danach nahm er das kleine Messer aus der Scheide.
    Er betrachtete es mit Augen und Sinnen. Es war zu klein, um es beim Essen zu benutzen. Die Klinge bestand nicht aus Eisen, sondern aus weißlichem Gold oder weißer Bronze, die wie poliertes Silber schimmerte, fast wie ein Spiegel. Das Metall strahlte ein geheimnisvolles Licht aus, ein weißer Schimmer mit einem Hauch von Rot. Dieses Licht, das wusste Cerryl, konnte nur er – oder die anderen Magier von Candar – fühlen.
    Er war kein Magier, noch nicht, vielleicht würde er auch nie einer werden. Dennoch konnte er Dinge fühlen, die wahrscheinlich nur Magier fühlen konnten. Hatte sein Vater das auch gespürt?
    Nach einem letzten Blick auf die schimmernde Klinge steckte er das Messer zurück in die Scheide und legte beides wieder hinter das Brett in der Nische. Er richtete sich auf dem Bett auf, das nur aus einem Strohsack bestand, der auf einem einfachen Holzgestell lag; darüber hatte er eine zerlumpte, graue Decke gelegt.
    Es gab so vieles, was er wissen wollte und nicht zu fragen wagte, nicht nachdem er erfahren hatte, was seinem Vater zugestoßen war. Aber … ein Mühlengehilfe bleiben, ein ganzes Leben lang? Er verstand nun, was seinen Vater angetrieben hatte. Er wusste aber auch, wie aussichtslos es für seinen Vater gewesen sein musste, oder wie aussichtslos es für ihn nun schien – oder für jedes andere Kind aus armen Verhältnissen –, die Gelegenheit zu bekommen, ein Magier zu werden.
    Er schüttelte den Kopf, fast zu heftig. Warum musste es so sein? Ein Mühlengehilfe? Warum?
    Später, als er sich mit tiefen Atemzügen und den Gedanken an einen angenehmen Frühling auf den Hügeln wieder beruhigt hatte, setzte er sich breitbeinig auf die Bettkante und sah zu Boden. Er konzentrierte sich auf das silberne Spähglas, bis der vertraute weiße Nebel das Silber verdeckte. Er drängte seine Gedanken in den Nebel, er suchte und fragte. »Irgendwo …«
    Ein Gesicht tauchte in der Mitte des Glases auf und wischte die Silbernebel beiseite, das Gesicht eines Mädchens mit rotblonden Locken und grünen Augen blickte aus dem Spiegel und Cerryl ins Gesicht. Diese Augen schauten in sein tiefstes Inneres und lösten ein bisher unbekanntes Verlangen in ihm aus.
    »Nein …«, keuchte Cerryl. Er glaubte zu fühlen, wie sie ihn mit der Kraft ihres Blickes körperlich zurückstieß, mit einem Ausdruck im Gesicht, der die Entfernung und die Nebel des Spiegels mühelos überwand, als existierten beide nicht.
    Als er wieder auf das Glas blickte, war es nichts weiter als ein leerer Spiegel, der lediglich sein eigenes, schweißüberströmtes Gesicht zeigte.
    Wer war sie? Wie konnte ein so junges Mädchen solche Kräfte besitzen? War sie die Tochter eines Weißen Magiers? Oder war es nur ein

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