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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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stank?
    Als der Nachttopf geleert war, legte Cerryl den Deckel auf das Loch und ging zur Pumpe im Hof, wo er den alten Topf ausspülte. Dann kehrte er zum Abfluss zurück. Einmal Spülen musste reichen, zumal er noch ein Bad in kaltem Wasser vor sich hatte. Alles andere war ihm im letzten Achttag nach dem Besuch der zwei Magier vergangen. Tellis sah ihn seitdem schief an und meckerte über alles, was er tat, als hätte man ihn plötzlich zum Dieb – oder zu etwas noch Schlimmerem – erklärt.
    »Cerryl …«
    Er sah auf. Pattera presste sich an die weiße Wand der Gasse, die in der Morgendämmerung grau schimmerte – keine zehn Ellen vom Abwasserdeckel und vom Hoftor entfernt.
    »Hör zu, Cerryl«, flüsterte sie. »Sie sagen, dass die Magier dich holen kommen … dass du ein … Abtrünniger bist. Das sagen sie.«
    »Wer sagt das?«, zischte Cerryl zurück und drehte sich um.
    »Sie.«
    »Wer?«
    »Ich … ich muss heim. Du musst fortgehen, Cerryl, bevor sie kommen. Bitte geh … geh.«
    Sie lief weg und Cerryl starrte ihr mit ausdruckslosem Gesicht hinterher. Das Umhängetuch flatterte über ihrem Nachthemd, während sie barfuß über die Steine huschte.
    Ein Abtrünniger? Er? Weil er sein Waschwasser erwärmt hatte? Sie konnten doch nicht wissen, dass er die Farben der Weiße gelesen hatte. Außerdem stand in dem Buch nichts Wichtiges, nichts, was ihm nicht ohnehin schon bekannt gewesen wäre, außer dem geschichtlichen Teil vielleicht. In dem Geschichtsbuch von Tellis hatten die gleichen Sachen gestanden und das Buch war schließlich nicht verboten. Tellis würde es nie wagen, ein verbotenes Buch in seinem Haus zu verwahren.
    Mit einem letzten Blick auf die nun menschenleere Gasse nahm er den Nachttopf und kehrte zurück in den Hof. Vom Tor aus warf er noch einen letzten Blick auf die Gasse; keine Spur von Pattera oder sonst einer Menschenseele.
    Barfuß ging er zurück in seine Kammer. Warum hatte sie ihn gewarnt und woher wusste sie es? Wusste die Webergilde davon? Oder hatte ihr Vater es zufällig gehört?
    Cerryl fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und öffnete die Tür.
    Als er den Nachttopf in die Ecke gestellt hatte, kehrte er zur Pumpe zurück, diesmal mit dem Wascheimer. Das kalte Wasser floss über seine Hände, als er den Eimer füllte.
    Kaltes Wasser? Wie lange noch? Für den Rest seines Lebens? Oder bis jemand kam und behauptete, er sei ein Abtrünniger?
    Bedächtig schritt er zurück in seine Kammer.
    Sollte er weglaufen?
    Er schüttelte den Kopf. Dann würden sie erst recht denken, dass er etwas Unrechtes getan hatte – und würden ihn töten, so wie seinen Vater und den flüchtenden Magier bei Dylert.
    Das würden sie vielleicht ohnehin tun, aber er hatte doch nichts derart Falsches getan. Davon war Cerryl überzeugt. Aber … kümmerte das die Magier?
    Sollte er sich der Bücher und des Amuletts seines Vaters entledigen? Nein … wenn sie wirklich kamen, spielten diese Dinge auch keine Rolle mehr, und er hatte nicht vor, nur aus Angst das wenige aufzugeben, das er von seinem Vater besaß.
    Dennoch … ein Schauder durchlief ihn, als er den Waschlappen ins eiskalte Wasser tauchte. Trotz all seiner Hoffnungen und Träume gab es keinen Ort, an den er flüchten konnte.
    Das kalte Wasser auf dem Gesicht verschaffte ihm Linderung … einen Augenblick lang zumindest.

 
XLV
     
    T ellis räusperte sich. »Die Magier gehen mir nicht aus dem Sinn. Keiner im Turm hat ein Wort über diese Sache verloren und gestern hat mich Sterol gebeten, übermorgen wiederzukommen, um weiter zu kopieren.« Der Schreiber kratzte sich am Kopf.
    Cerryl fegte unbeirrt den Steinfußboden im Arbeitszimmer und bückte sich, um den Schmutz, die dünnen Leder- und Pergamentstreifen und getrocknete Leimklumpen auf die hölzerne Schaufel zu kehren. Seit Tagen schon sinnierte Tellis über die Magier und immer wieder richtete er Fragen an Cerryl. Er behauptete jedoch nicht, dass Cerryl der Grund für ihr Erscheinen war.
    »Was denkst du, Cerryl?«
    Der Lehrling kehrte die letzten Überreste auf die Schaufel und richtete sich auf, um sie in den Abfalleimer zu entleeren, dann antwortete er: »Ich weiß nicht, Ser.«
    »Sie waren hier. Du musst dir doch etwas dabei denken.«
    »Ich hatte Angst«, gab Cerryl zu. Auch jetzt noch. »Ich habe noch niemals mehr als einen Magier gesehen, seit ich in Fairhaven bin.«
    »Einer hat dich sogar befragt.« In Tellis’ Stimme klang ein leichter Vorwurf mit.
    »Er fragte nur, was ich täte

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