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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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und ob ich der einzige Lehrling wäre.« Cerryl hängte die Schaufel an den Haken und lehnte den Besen in die Ecke. Am Waschtisch wusch er sich die Hände. »Er starrte mich einen Augenblick lang an und dann ging er wieder.«
    »Das war alles?«
    »Ja, Ser.« Wie oft hatte Cerryl das nun schon erzählt?
    »Aber warum haben sie nach dem Buch gefragt?« Wieder zupfte sich Tellis am Kinn. »Sie müssen doch wissen, dass ich sie niemals hintergehen würde.«
    »Und ich auch nicht«, fügte Cerryl hinzu. Nicht öffentlich. Das wäre zu gefährlich. »Ich wusste nicht einmal, dass es dieses Buch gibt.«
    Tellis hustete. »Bekomme einfach meinen Hals nicht frei. Kann tun, was ich will.« Er hustete wieder. »Ich verstehe es einfach nicht. Ich habe mich immer an die Regeln gehalten. Immer.« Seine Stimme brach.
    »Sie sind Magier«, sagte Cerryl ruhig, während er sich die Hände trocknete und zum Schreibtisch ging, wo das Buch – Leitfaden der Alchemie – schon auf ihn wartete.
    »Das ist es ja«, beharrte Tellis. »Sie müssen einen Grund haben; es muss einen geben.«
    »Es muss einen geben.« Cerryl beugte sich vor und inspizierte die Feder, die noch im Halter steckte. Er zwang sich, ruhig zu sprechen und seine Hände vom Zittern abzuhalten. »Sie sind Magier.« Er hielt inne. »Soll ich damit weitermachen, Ser?«
    »Womit?« Tellis zuckte zusammen. »Oh, das Buch für Nivor? Wenn du die Buchstaben weiterhin eng genug zusammenschreibst. Die letzte Seite ist kaum annehmbar. Für einen Gesellen, ja, aber nicht wenn in Tellis’ Schreiberwerkstatt geschrieben wurde.« Er runzelte die Stirn. »Du hörst mir nicht zu in letzter Zeit, nicht richtig.«
    »Ich versuche es, Ser. Ich schneide die Spitze so, wie Ihr es mir gestern gezeigt habt, und ich vergleiche die Buchstaben mit dem Maßstab.«
    »Du solltest sie nicht vergleichen müssen. Du solltest den Abstand im Gefühl haben.«
    »Ja, Ser.« Cerryl nahm die Feder.
    »Sieh zu, dass du es lernst.«
    Der Lehrling nickte.
    »Ich verstehe die Magier einfach nicht … Sterol vertraut mir alle seine Bücher an. Warum schickt er dann seine Magier in mein Geschäft? Warum?«
    Cerryl atmete ruhig weiter und nahm sein Taschenmesser, um die Federspitze abzuschneiden. Als er damit fertig war, stellte er sich neben den Schreibtisch und wartete. Er hoffte, er könnte weiterschreiben oder einen Botengang machen.
    »Mein Geschäft«, wiederholte Tellis. »Warum kommt überhaupt ein Magier in mein Geschäft? Zu mir vor all den anderen.«
    »Hört auf zu jammern, Tellis«, unterbrach ihn Beryal, die in der Tür stand. »Wenn sie Euch für die Straße vorgesehen hätten, wärt Ihr längst dort und würdet Steine klopfen. Euer mächtiger Erzmagier hätte Euch schon zerdrückt wie eine Eidechse mit seinen glänzenden, weißen Stiefeln. Das Gleiche gilt auch für den Lehrling. Sie haben nach etwas gesucht. Hier haben sie es nicht gefunden. Schätzt Euch glücklich und hört auf zu jammern. Hätten Sie es auf Euch abgesehen, bekämt Ihr keine Aufträge mehr von ihnen.«
    Cerryl hätte am liebsten vor Erleichterung geseufzt oder gelächelt. Aber er tat es nicht.
    »Beryal … du hast mir keine Vorträge darüber zu halten.« Tellis drehte sich um und starrte die ältere Frau an.
    »Dann sage ich Euch eben, dass ich zum Markt gehe, Ser.« Beryal verneigte den Kopf. »Deria hat behauptet, dass heute zarte Hühner aus Howlett verkauft werden. Ein gebratenes Hühnchen würde uns allen schmecken. Natürlich brauche ich dafür mindestens einen halben Silberling, dafür und für die anderen Sachen, die wir außerdem noch brauchen.«
    Tellis seufzte und sah Cerryl an. »Mach weiter mit Nivors Buch. Sieh zu, dass du schlanke Buchstaben schreibst. Wenn ich zurückkomme, schrubbst du den Fußboden im Ausstellungsraum.«
    »Ja, Ser.«
    »Und danach den Hof.«
    »Ja, Ser.«
    »Der Markt, Ser«, drängte Beryal. »Ihr wollt doch nicht, dass ich die Letzte in der Schlange bin.«
    Tellis seufzte noch einmal und verließ das Arbeitszimmer, Beryal folgte ihm.
    Auch Cerryl war nach Seufzen zumute und er tat es auch, wenn auch nur leise.

 
XLVI
     
    C erryl hatte das Arbeitszimmer noch nicht betreten, als Tellis schon bellte: »Cerryl, die Buchstaben hier sind zu breit. Diese Seite ist wertlos. Für eine solch schlampige Arbeit wird Nivor keinen Kupferling bezahlen. Ich werde diese Seite und die davor noch einmal schreiben müssen.« Tellis wedelte mit dem Pergament. »Diese Seiten taugen nur noch zum Palimpsest

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