Die Weiße Rose
noch Werke von Juden aufführen dürfen. Künstlerische Werke von „Ariern“ wurden für Juden verboten. 48 Schließlich durfte bei Veranstaltungen des Jüdischen Kulturbundes sogar die deutsche Sprache nicht mehr benutzt werden, sondern nur noch Hebräisch oder Jiddisch.
Beim Einmarsch der Wehrmacht in Österreich begingen zahlreiche Juden Selbstmord. Verschiedene Wehrmachts- und SS-Einheiten verübten erste kleinere Pogrome unter der jüdischen Bevölkerung.
Im Juli 1938 wurde eine besondere Kennkarte für Juden eingeführt, die sie immer bei sich zu tragen hatten. Ab August 1938 mussten männliche Juden den Namenszusatz „Israel“ führen, Jüdinnen den Namenszusatz „Sarah“. Auf den Standesämtern lagen Listen mit diffamierenden, angeblich israelitischen Namen aus. Jüdische Kinder sollten keine „arischen“ Namen mehr tragen dürfen. Damit begann die Stigmatisierung der Juden im „Großdeutschen Reich“.
Die Nacht auf den 9. November 1938 war die Reichspogromnacht. Goebbels stachelte die SA an, gegen Juden im gesamten Reichsgebiet vorzugehen.191 Synagogen wurden in Brand gesteckt. Überall in Deutschland wurden jüdische Würdentrager misshandelt; zahlreiche jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert. Der Feuerwehr wurde verboten, die Brände zu löschen. Nur die umliegenden Häuser sollten vor dem Feuer geschützt werden. Bei den Ausschreitungen wurden 36 Juden getötet und unzählige jüdische Existenzen vernichtet.
Um das deutsche Versicherungswesen zu schützen, wurde den Assekuranzen verboten, die entstandenen Schäden zu regulieren. Die Juden sollten selbst dafür aufkommen. Hermann Göring, einer der kaltblütigsten aller führenden Nationalsozialisten, legte den Juden eine zusätzliche „Sühneleistung“ von einer Milliarde Reichsmark auf. Das entsprach etwa 20% des geschätzten jüdischen Vermögens. Nach der Reichspogromnacht war das deutsche Judentum, das vor Hitlers „Machtergreifung“ das wohlhabendste in Europa war, praktisch ruiniert.
Viele jüdische Unternehmer und Geschäftsleute waren schon vorher beraubt worden. Durch die verharmlosend „Arisierung“ genannte Enteignung verloren sie einen großen Teil ihrer Habe. Sie waren meistens durch Parteigrößen und „arische“ Geschäftspartner gezwungen worden, ihren Besitz weit unter Wert zu verkaufen.
Das beschönigend „Reichskristallnacht“ genannte Novemberpogrom hatte auch viele nichtjüdische Deutsche entsetzt. Wie die Gestapo erfuhr, gab es überall im Land Stimmen, die das brutale Vorgehen der SA gegen unbescholtene Bürger ablehnten. Die NS-Führung hatte die antisemitische Stimmungslage in der Bevölkerung überschätzt. Noch hielten die zivilisatorischen Dämme gegen die sich immer schneller ausbreitende Barbarei. Inder Folgezeit gingen die NS-Behörden deshalb dazu über, weitere antijüdische Maßnahmen eher im Verborgenen durchzuführen.
Trotzdem war es für die Juden nun klar, dass es für sie in Deutschland keine Zukunft mehr gab. Bis zum Kriegsausbruch gelang weiteren 118 000 jüdischen Deutschen die Flucht aus dem NS-Staat. Von den ca. 525 000 Juden, 49 die 1933 in Deutschland gelebt hatten, war bis 1939 knapp die Hälfte geflohen. Um ausreisen zu dürfen, mussten sie fast ihren ganzen verbliebenen Besitz an die Behörden abliefern. Es blieben ihnen nur wenige Reichsmark, um in der Fremde ein neues Leben zu beginnen.
Die Juden, die in Deutschland bleiben mussten, waren entweder zu arm und zu alt, mit einem „arischen“ Partner verheiratet oder sie hatten Berufe, die sie nur in Deutschland ausüben konnten. Deutsche Juristen oder Sprachwissenschaftler waren im Ausland nicht gefragt. Es gab keine Länder, die sie aufnehmen wollten. Der Weg nach Palästina war von der britischen Verwaltung versperrt. Aus Rücksicht auf die Interessen der Araber sollte es im Nahen Osten keinen eigenen Staat für die Juden geben.
Während es den Juden in Deutschland immer schlechter ging, erlebte das „Dritte Reich“ ein „Wirtschaftswunder“. Wie oben dargestellt, war die Arbeitslosigkeit bereits vor dem Machtantritt Hitlers leicht gesunken. In der Endphase der Weimarer Republik wurde ein freiwilliger Arbeitsdienst für junge Männer eingeführt. Durch diese Maßnahme konnte die Jugendarbeitslosigkeit wirksam bekämpft werden. Hitler führte nach seiner Machtübernahme einen obligatorischen „Reichsarbeitsdienst“(RAD) für alle jungen Männer ein. Er konnte so die Arbeitslosenstatistik schönen und die
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