Die Weiße Rose
unheimlicher Kerl mit grünlich-blauen stechenden Augen. Ob ich nicht lieber jetzt alles gleich sagen wollte, es würde meine Lage erleichtern? Natürlich wollte ich nicht. Ob ich von Technik etwas verstünde? Natürlich meinte er es nur gut mit mir. Wie Hans und Sophie eigentlich waren, so rein menschlich. Zum Schluß sagte er mir, wie ich mich bei einem Kreuzverhör zu verhalten habe.
In der Zelle zurück, wartete ich auf das Kreuzverhör. Niemand kam. Am nächsten Tag kam derselbe Beamte wieder. Brachte mir Brot mit Wurst belegt. Ob ich nicht doch lieber jetzt alles sagen wollte. Und immer wieder fragte er nach Hans und Sophie. War er wirklich menschlich interessiert? Er war nicht dumm, feiner als die andern. Wer er war, sagte er nicht. Zum Schluß: Er gebe viel auf ein menschliches allgemeines Urteil, könne auch helfen, wenn er sicher sei, man lüge ihn nicht an. Einmal in Belgien habe er eine Studentin, die wegen Hochverrat verhaftet war, vernommen. Er habe die Überzeugung gehabt, sie sei unschuldig, habe ihr helfen wollen, dann sei erwiesen worden, daß sie nicht unschuldig war. Da habe er es sich nicht nehmen lassen, bei ihrer Hinrichtung dabei zu sein …
Wenige Tage später wurde ich von drei SS -Männern abgeholt und nach Hamburg gebracht. Es führt zu weit, den Unterschied zwischen der Gestapo in Süd- und Norddeutschland zu beschreiben. Oben hatten sie andere Methoden.
Gleich nach meiner Ankunft in Hamburg, müde und kaputt von den Strapazen der Reise (bes. vom Anhören der idiotischen, prahlerischen Gespräche der SS -Männer) wurde ich zu meinem Vernehmer Reinhard geführt. Noch nicht in der Tür, brüllte er mich an, wann ich das letzte Mal ausländische Sender abgehört hätte (darauf war ich nun gar nicht vorbereitet). Eine halbe Stunde lang warf er mir ununterbrochen Vergehen vor, die ich wirklich nicht begangen hatte. Dazu hatte er eine eigene Methode, einem auf den Augen herumzutrommeln. Ich sagte gar nichts mehr, wurde »verstockt und verlogen« ins Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel gebracht.
Grauenhafte Monate Mai 1944 bis September 1944 . Elend lange Verhöre. Immerhin kristallisierte sich folgendes heraus:
Diese Hamburger Studenten hatten die Flugblätter neu vervielfältigt und verbreitet. Albert Suhr, Medizinstudent, hatte die Vervielfältigung übernommen. Dazu hatten sie Sammlungen für Frau Professor Huber durchgeführt …
Monatelang wurden mir von meinem Sachbearbeiter vage Vermutungen an den Kopf geworfen, die ich in Bausch und Bogen ableugnete … Ich hatte Zeit, mir war es egal, wo ich sitzen mußte …
Ende Oktober 1944 kamen wir zur Justiz. Am 11 . November 1944 wurde unsere Sache dem Volksgerichtshof in Berlin übergeben. Gemeinsam mit den anderen Frauen aus der Hamburger Gruppe kam ich nach Cottbus, wo in der Zeit der Volksgerichtshof tagen sollte, da Berlin bereits durch Bomben zerstört war. Im Januar 1945 , nachdem das Zuchthaus in Cottbus mehrere Transporte aus Auschwitz aufgefangen hatte, wurden alle Insassen, dem Vormarsch der Russen entsprechend, westlich weitergeschickt, und zwar nach Leipzig.
Wir Hamburger kamen weiter nach Bayreuth, dort sollte der 1 . Senat des Volksgerichtshofes in Zukunft angeblich tagen.
Ein für uns nicht wenig aufreibendes Wettrennen zwischen der heranziehenden Amerikan. Armee und dem Termin begann. Von Anfang Februar warteten wir auf eines dieser Ereignisse. Endlich, am 15 . April 1945 gewannen die Amerikaner das Rennen. Erst später erfuhren wir, daß die Verhandlung am 17 . April angesetzt und auch – nun aber in Hamburg, wo ein Teil der Männer zurückgeblieben war – stattgefunden hat.
Bei dieser Verhandlung wurde Heinz Kucharsky zum Tode verurteilt …
Auf dem Weg zur Hinrichtung, die in Anklam stattfinden sollte, gelang es ihm – angeblich war er mit einem Raubmörder zusammengekettet, der ihn mitschleppte – anläßlich eines Tieffliegerangriffs auf den Zug zu entfliehen. […]
Bremen, am 21 . Februar [ 1946 (?)]
Lilo Fürst geb. Ramdohr, befreundet mit Alexander Schmorell. Vermittelte den Kontakt zu Falk Harnack. Hilfe bei dem Fluchtversuch von Alexander Schmorell.
Im Münchner Zeichenstudio König lernte ich im Herbst 1941 Alexander Schmorell kennen. Zwischen uns entstand eine Freundschaft. Ganz bewußt setzten wir zu der destruktiven Zeit ein Gegengewicht, indem wir uns mit den großen Werken der Malerei und Plastik beschäftigten, oder uns Gedichte, bevorzugt Hesse und Rilke vorlasen. Ich stellte
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