Die Weiße Rose
Alex atemlos zur Tür herein. »Es wird sich in den nächsten Tagen etwas ereignen.« In der Universität sollten Flugblätter abgeworfen werden. »Christl Probst will mit Hans Scholl die Verteilung der Blätter allein vornehmen. Hans hat das entschieden abgelehnt. Hans hat auch mich gefragt, aber ich habe mir Bedenkzeit erbeten. Sophie besteht nun darauf, ihren Bruder zu begleiten, um mit ihm allein in die Uni zu gehen.« Alex hatte sich angeboten, vor der Universität die Straße zu beobachten. – Ich bewunderte den Mut von Sophie, die auf mich einen so mädchenhaften, sensiblen Eindruck machte. Zweifellos stellte sie sich vor Christoph Probst mit dem Einsatz ihres Lebens. – Wieder sprach Alex über das entsetzliche Massensterben in Stalingrad. Für eine schlechte Sache mußten 300 000 Soldaten ihr Leben hergeben.
Am 11.2 . verbrannte Alex seine Uniform im Heizungsofen im Keller meiner Hauswirtin. Die Hausgehilfin Maria, die am kommenden Tage Uniformreste in der Asche vorfand, wollte durch ihren Bruder ( SA -Mann) Anzeige erstatten lassen. Nur mit Mühe gelang es Frau Adam, sie umzustimmen. – Alex sprach von Fluchtplänen, die mir unmöglich erschienen. Man könne sich außen an der Lok in Richtung Schweiz verstecken. Er erwähnte auch das Kriegsgefangenenlager für russische Soldaten, zu dem ihn seine ukrainische Bekannte zu bringen versprochen habe. Sie würde ihn am 18 . 2 . 43 in München abholen. Alex schien mit einem schlechten Ausgang des 18.2 . zu rechnen. Ich wußte nun, daß er im Begriff war, seine Zelte in München endgültig abzubrechen – so oder so!
Auf die Bitte von Alex war ich am 18 . 2 . 43 zuhause geblieben. Gegen Mittag raste er die Treppe herauf und sagte: »Die Gestapo hat Hans und Sophie vor der Universität abgeführt. Ich habe es gesehen!« – Kurz vorher habe er beide, wie vereinbart, am Siegestor getroffen. »Ich bin da kaum mehr durchgekommen. Nach Hause kann ich nicht mehr. Das Haus meiner Eltern ist umstellt.«
Er hatte das durch einen Zwischenkontakt mit seinem Vater, von einem Studenten, erfahren, der als Patient in die Sprechstunde von Dr. Schmorell gegangen war, wegen angeblicher Knieschmerzen. Ihm habe aber nichts gefehlt. – Bei diesen Worten huschte das alte Lächeln über sein Gesicht. – »Die Gestapo arbeitet schnell«, bemerkte er. Alex bat mich, bei seinen Eltern anzurufen. Ich versuchte, im Atelier des über mir wohnenden Kunstbuchbinders Roters, Verbindung mit den Angehörigen von Alex in deren Wohnung zu bekommen. Eine fremde Stimme meldete sich. Ich hängte sofort den Hörer ab. – Wegen einer Paßänderung für Alex mußte ich Frau Roters einweihen. Ich bat sie um ihre Mithilfe. Sie willigte sofort ein.
Alex bat mich nun, mit ihm zum Rotkreuzplatz zu gehen. Vor einem kleinen Tabakladen sollte ich auf ihn warten. Ich sollte aber in das Schaufenster sehen. Alles ging sehr schnell. Er gab mir den Paß, den er gerade von einem Jugoslawen erhalten hatte, und wir gingen schnell in meine Wohnung zurück. Das war am 18.2 . gegen 14 Uhr. Dort gab er mir ein Paßphoto von sich. Alex blieb in meiner Wohnung. – Ich ging allein zu Frau Roters, die selbst auch Buchbinderin war. – Ihr Mann war im Kriegseinsatz. Wir änderten gemeinsam den Paß. Das alte Photo des Jugoslawen mußte vorsichtig abgelöst und mit dem Paßbild von Alex ersetzt werden. Frau Roters ergänzte den Stempel mit ganz wenig Druckfarbe. Ich mußte ihr versprechen, daß ich im Falle einer Entdeckung alles allein auf mich nehmen würde, womit ich Miele Roters, die zwei kleine Kinder hatte, beruhigen konnte. – Mit diesem Paß war die Voraussetzung der Flucht geschaffen, die Alex mit Willi Graf vereinbart hatte. Frau Roters lieh Alex Rasierzeug, und ich gab ihm einen Pullover und Schal. Am 19.2 . zwischen 10 und 11 Uhr morgens wollte er Willi Graf am Starnberger Bahnhof treffen. – Ich wartete in einiger Entfernung vor dem Bahnhof. Alex kam sehr schnell zu mir zurück. Willi sei nicht da. Die Gestapo führe Paßkontrollen durch. Jeder Passant würde kontrolliert. – Wir gingen zurück zur Prinzenstraße. War es an diesem Tage, daß mir Miele Roters von Fahndungsplakaten berichtete? – Die Tatsache, daß der Fluchtplan mit Hilfe der Ukrainerin gescheitert war, weil sie den Zug nach München versäumt hatte, verunsicherte Alex am meisten.
Ob er mit ihr nochmal einen neuen Termin vereinbart hatte, ist mir unbekannt. – Am 20 . 2 . 43 gegen 22 Uhr, es war keine
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