Die Weiße Rose
Alex dem Bildhauer Professor Bauer vor, der ihn als Privatschüler annahm. – Mit Christoph Probst, der uns im Herbst 1941 öfter beim Zeichnen zusah, verband Alex schon seit dem letzten Schuljahr im Internat eine Freundschaft. – Strahlte Christl Ruhe und Gelassenheit aus, so befand sich Alex immer in einer abwartenden, suchenden Haltung.
Es war Spätherbst, als Dr. Arvid und Mildred Harnack mich auf der Durchreise in München besuchten. Ich erzählte Alex davon und von meiner freundschaftlichen Beziehung zur Familie Harnack. Während eines Schulbesuches in Weimar hatte ich Falk Harnack kennengelernt. Wir wurden Freunde.
Alex sprach oft über seinen umfangreichen Freundeskreis. Nach und nach lernte ich Willi Graf, Angelika Probst und Hans und Sophie Scholl kennen. – Großes Lob erntete Alex, als er Hans Scholl seine Kohlezeichnungen in meiner Wohnung zeigte. Daraufhin besuchte uns Hans (Frühjahr 1942 ) öfter, um uns beim Zeichnen zuzusehen. Die gewisse Nuance von Nonchalance, die das Wesen von Alex so charmant umgab, fehlte bei Hans vollständig. Seine Ernsthaftigkeit beeindruckte mich sehr.
Alex machte im Januar 1942 Andeutungen, die ich meistens nur mit halbem Ohr wahrgenommen hatte. Man müsse aus dem passiven Widerstand zu aktivem Handeln übergehen. An die erste Mitteilung der Geburtsstunde der »Weißen Rose« erinnere ich mich deutlich. Als der Name Professor Huber fiel, hatte ich den Eindruck, daß dessen Autorität viel dazu beitrug, den Initiatoren Hans Scholl und Alexander Schmorell eine Bestätigung für die Richtigkeit ihrer Aktivität zu geben. Ich war für Alex, der vier Jahre jünger war als ich, wie eine ältere Schwester. Er erzählte mir alles, was ihn bewegte. Auch jetzt drängte er nach meiner Stellungnahme.
»Alex, du weißt doch, mit welchen Konsequenzen du in Zukunft rechnen mußt«, sagte ich. Er machte einen bedrückten Eindruck und erwiderte, »es gibt nun aber kein Zurück mehr. Zwar könnte ich sagen, daß das alles Sache der Deutschen sei, aber ich lasse Hans nicht im Stich. Er ist mein Freund.« Trotz seines deutschen Vaters fühlte sich Alex mehr auf der Seite seiner russischen Mutter. – Er war aber ein ebenso starker Gegner des Bolschewismus wie des Nationalsozialismus. – Niemals hatte ich den Eindruck, daß seine Hauptinteressen in der Politik lägen. Vielmehr lagen sie in der Liebe zu allem, was echt und schön ist, und in der Realisierung dieser Liebe in der Welt! Seine hohe Freundschaftsmoral bestimmte jetzt seinen Weg. – Mit einem Schlag hatte eine gefährliche Zugluft alles um uns herum verändert.
Im Hause von Professor Adam, Prinzenstraße, wo ich wohnte, hatte ich Alex als meinen Cousin vorgestellt. Darum fand niemand etwas dabei, daß er einen eigenen Haus- und Wohnungsschlüssel zu meiner Wohnung besaß. Im Keller hatte ich einen Besenschrank stehen. Hierhin brachte er nach einem schweren Luftangriff den Inhalt seines beladenen Rucksackes mit der Bitte, ich solle mich nicht drum kümmern. Er hatte sich zu Fuß durch München bis nach Nymphenburg damit abgeschleppt, aber er strahlte übers ganze Gesicht.
Im Frühjahr 1942 verbrachten wir unsere Freizeit häufig im Tierpark, um Tiere zu zeichnen. Anschließend war ich manchmal im Hause Schmorell zum Essen eingeladen und lernte auch die russische Kinderfrau von Alex kennen.
Viele Briefe erhielt ich in dieser Zeit von Falk Harnack, der sich fast immer in einem leidenden Zustand befand. Im ersten Halbjahr 1942 besuchte ich ihn zweimal in Chemnitz.
Ich glaube, es war Mitte Mai 1942 , als Alex ein verschlossenes Paket in meiner Wohnung unterstellte, das er nach zwei Tagen wieder abholte. Auch brachte er verschlossene Kartons in meinem Besenschrank unter. Es muß wohl in dieser Zeit gewesen sein, daß mich Alex um Geld bat, weil er seinen Vater nicht darum bitten wollte.
Im Juli 1942 wurden die Freunde plötzlich zur Ostfront einberufen. Am Vortag der Abreise kam Alex noch schnell, um sich zu verabschieden. Er trug wieder Uniform. Bei Professor Huber, sagte er, sei am Abend eine Abschiedsfeier. Alle würden kommen. Der Entschluß, alles zu versuchen, um das Regime Hitlers zu stürzen, sei das Ziel, wenn sie alle wieder in München wären! »Ich werde Rußland wiedersehen«, sagte er mit leuchtenden Augen.
Nun besuchte ich sofort Falk Harnack in Chemnitz. Er sah schmal aus, fast krank und grau im Gesicht. Sein Bruder Arvid Harnack und seine Schwägerin Mildred seien in Berlin verhaftet worden,
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