Die Weiße Rose
mehr zu Tage zu bringen, als die Akten schon aufwiesen, zu einem für mich noch günstigen Abschluß dieses Verfahrens führte. Ich wurde zu 6 Monaten verurteilt.
Traute Lafrenz, Medizinstudentin, befreundet mit Hans Scholl, vermittelte den Kontakt zu Hamburger Widerstandsgruppen (später Hamburger Zweig der Weißen Rose genannt)
Durch Alexander Schmorell, den ich während seines Studiums in Hamburg im Sommer 1939 kurz kennengelernt hatte, lernte ich Hans Scholl im Mai 1941 bei einem Konzert im Odeon kennen. (Es wurden die Brandenburg. Konzerte von Bach gespielt.) Zwischen Hans und mir entwickelte sich schnell eine Freundschaft. Gab schon die gleiche politische Einstellung eine gute Basis – man hatte damals so einen besonderen Sinn, mit dem man nach den ersten zwei Sätzen des Gegenübers dessen Gesinnung feststellen konnte – so kamen gleiches literarisches Interesse, Freude an Wanderungen, gemeinsame Konzertbesuche bald hinzu und festigten das Band.
Im Laufe des Jahres 1942 bildete sich dann ein kleiner Kreis. Christoph Probst, Willi Graf, entfernter Raimund Samüller und Hubert Furtwängler kamen hinzu. Im Mai 1942 kam Sophie dann nach München. Wir trafen uns zu gemeinsamen Leseabenden, luden ältere, erfahrene Menschen zu uns ein (so Furtmeier, Radecky, Theodor Haecker, Professor Muth und Huber.) Die Abende waren durchwegs literarisch, ohne feste Zielsetzung. Vielleicht mit einem betonten Geschichtsinteresse. Nur zum Schluß wurden meistens kurz die politische Lage, die Ausweglosigkeit und Trostlosigkeit, mit der alles dem Untergang blind entgegentrieb, sowie evt. Nachrichten über den Rückzug der Wehrmacht besprochen. (Dabei fällt mir ein, daß das, was uns als Einzelne während dieser Zeit am tiefsten anging, nämlich wie jeder von uns ein aufrichtiges Verhältnis zum Christentum zu bekommen anfing, selten oder nie besprochen wurde.) Besonders Hans knüpfte immer wieder Beziehungen an zu Menschen, von denen er annehmen konnte, daß sie geistig und politisch unserer Richtung entsprechen mußten. So bekam man das Gefühl als existiere ein breitgespanntes, vielmaschiges Netz Gleichdenkender – die ja in Wahrheit auch da waren, aber als Einzelne – und da wir immer nur mit diesen und nicht mit den vielen Andersdenkenden in Verbindung waren, negierte man die Vielen und baute auf die Wenigen und glaubte sich stark. Anfang Juni 1942 bekamen meine Hausleute die erste Folge der »Weißen Rose« mit der Post zugesandt. Aus Text, Art des Satzbaus, bekannten Stellen aus Goethe, Laotse erkannte ich sofort, daß das Blatt von »uns« verfaßt sein mußte, war aber noch im Zweifel, ob Hans selber es getan.
In einer der nächsten Folgen erkannte ich an einem Zitat aus dem Prediger, das ich Hans einmal gegeben, daß er selber der Verfasser sein mußte. Ich fragte daraufhin Hans, er antwortete, es sei falsch, immer nach dem Urheber zu fragen, das gefährde diesen nur, die Zahl der direkt Beteiligten müsse eine ganz, ganz kleine bleiben und es sei besser für mich, wenn ich möglichst wenig wisse. Dabei blieb es. Mir war damit mein Platz zugewiesen, ich nahm ihn an. Sorgte, daß die Blätter weiter verbreitet wurden …
Nachdem die Jungs als Soldaten der Studentenkompanie im Juli 1942 nach Rußland abgefahren waren, kam Sophie noch einmal nach München zurück. Im Zusammenhang mit der Verurteilung des Vaters konnte mit einer Haussuchung auch bei den Kindern in München gerechnet werden. Wir gingen in Hansens Zimmer in der Lindwurmstraße und zu Sophie in die Mandlstraße und vernichteten, wessen wir habhaft werden konnten und was Verdacht erregen konnte.
Im November 1942 fuhr ich einige Wochen nach Hamburg. Dort kannte ich einen Kreis von Studenten, die dem Münchner Kreis in Gesinnung und Denkensart ähnlich waren, wenn auch ihre mehr rein intellektuelle, weniger vitale Veranlagung weniger zum Tun drängte. Ich berichtete ihnen von den Vorgängen in München, gab ihnen zwei Flugblätter und wir besprachen, die Verbreitung auch über Norddeutschland auszudehnen. Heinz Kucharski, der der Kopf dieses Kreises war, bat mich noch vor meiner Abfahrt, ihm ein weiteres Blatt der »Weißen Rose« zu schicken – ich versprach es, ungern, da wir uns vorgenommen hatten, bei der Verschickung der Flugblätter besonders vorsichtig zu sein, niemals in München Flugblätter für eine andere Stadt aufzugeben. Da es sich aber nur um eines oder zwei handelte, sagte ich zu.
In München konnte ich die Flugblätter nicht ohne
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