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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Scholl
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nochmals aufgerufen und durch ihre überaus geschickte Formulierung entstand durchaus der Eindruck, daß Grimminger nur aus sozialen Gründen das Geld herausgegeben habe.
    Danach wurden wir wieder in die großen Massenzellen zurückgeführt und bekamen einen undefinierbaren dicken Brei, den aber keiner von uns essen konnte, weil die Kehle wie zugeschnürt war. Bei dieser Gelegenheit konnte ich kurz mit Prof. Huber sprechen. Er sagte mir: »Ist es nicht ein trostloses Bild, dieser sogenannte höchste deutsche Gerichtshof, ist es nicht eine Schande für das deutsche Volk.«
    Keiner fand die Ruhe, sich niederzusetzen. Wir alle gingen rastlos auf und ab, waren doch jetzt die entscheidenden Minuten der »Urteilsfindung«, die Entscheidung über Leben und Tod gekommen.
    Die anwesenden Polizisten, zum größten Teil biedere Bayern, hielten sich vollkommen zurück, schauten weg, und bei einigen von ihnen hatte man den Eindruck, daß sie sich dieses schrecklichen Schauspiels schämten.
    Gegen 10.30  Uhr abends wurden wir wieder gefesselt in den großen Schwurgerichtssaal mit seiner lächerlich geblümten Tapete geführt. Die Urteilsverkündung begann. Freisler erhob sich, hinter ihm das Bild mit der widerlichen Fratze Hitlers. Mit genießerisch rhetorischer Breite formulierte er die Urteilsbegründung, die nicht schriftlich vorlag.
    Alexander Schmorell, Prof. Huber und Willi Graf wurden mit dem Tode bestraft, Grimminger mit 10  Jahren Zuchthaus. Er war also gerettet. Und nun folgten die anderen Angeklagten mit längeren oder kürzeren Freiheitsstrafen. Zum Schluß kam ich an die Reihe und obwohl der Oberreichsanwalt 5  Jahre beantragt hatte, wurde ich mangels Beweisen freigesprochen. Die Freunde, die ihr Todesurteil vernommen hatten, waren still und gefaßt, keine Träne, aufrecht.
    Freisler verließ mit seinen sogenannten Richtern mit der Befriedigung den Saal, der Öffentlichkeit wieder ein »glänzendes Schauspiel« gegeben zu haben.
    Mir wurde mitgeteilt, daß ich am nächsten Tage der Gestapo ausgeliefert würde.
    Wieder umringte uns der Polizeikordon. Wir wurden aus dem Verhandlungssaal hinuntergeführt, wo der Gefängniswagen bereitstand. Wir stiegen ein.
    Ich kam neben Grimminger zu sitzen, gratulierte ihm und sagte (es war der 19 . April): »In höchstens zwei Jahren ist der Krieg vorbei und du bist frei. Die 10  Jahre sind jetzt gleichgültig, Hauptsache, daß du deinen Kopf gerettet hast.«
    Nun begann eine Rundfahrt durch München, denn alle Angeklagten waren ja in den verschiedensten Gefängnissen untergebracht und mußten nun ihre sogenannte »Habe« holen. So fuhren wir zuerst ins Neudeck-Gefängnis, warteten eine Viertelstunde, dann kamen Schmorell und Huber und die anderen mit ihrer Habe zurück in den Wagen. Weiter ging die Fahrt zum Cornelius-Gefängnis, wo Graf und ich aussteigen mußten. Wir kamen in die »Aufnahme« herein, die Justizbeamten hatten schon unsere kleinen Pakete zurechtgestellt und hatten uns sogar das Abendessen, obwohl es nun schon 12  Uhr nachts war, aufgehoben. Graf und ich waren ausgehungert. Wir versuchten zu essen, es gelang uns nicht. Langsam begann ein Gespräch zwischen uns. Da ich nun meine »Habe« in der Hand hatte, in der sich auch Zigaretten befanden, holte ich Zigaretten heraus. Der Wachtmeister wollte eigentlich Einspruch erheben. Wir sahen ihn an und Graf sagte zu ihm: »Nun ist’s genug.« Da ließ er uns ruhig rauchen. Willi fragte mich: »Falk, du weißt ja von deinem Bruder Bescheid. Wie lange dauert es denn nun bis zur Hinrichtung? Hoffentlich recht bald, denn das Warten ist entsetzlich.« Ich antwortete ihm: »Gib noch nicht alle Hoffnung auf, da du ja nicht der Initiator dieser Aktion bist, besteht doch die Möglichkeit, daß ein Gnadengesuch für dich Erfolg hat. Im übrigen glaube ich, daß die Wartezeit, da dieser Prozeß soviel Aufsehen im In- und Auslande erregt hat, nicht lang sein wird.« (Heute weiß ich, daß Willi Graf die schwerste Zeit durchmachen mußte. Er war der Letzte, der hingerichtet wurde, und zwar am 12 . Oktober 1943 .)
    Der Justizbeamte trieb uns zur Eile, wir packten unsere Sachen zusammen, gingen die steile Treppe hinunter in den Gefängnishof und stiegen zu den Freunden in den Wagen. Die Polizeibeamten im Wagen ließen uns ruhig gewähren.
    Prof. Huber saß still in sich gekehrt. Schmorell und Graf nahmen lebendigen Anteil. Die anderen waren innerlich noch so hochgespannt und aufgeputscht, daß eine nicht zu schildernde

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