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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Scholl
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ungeschriebenes Gesetz aller Illegalen, mit allen Mitteln zu versuchen, aus den Klauen der Gestapo und der Justiz herauszukommen, um weiter in der Widerstandsbewegung arbeiten zu können, allerdings mit der Maßgabe, daß hierdurch niemals ein Mitkämpfer belastet wurde.
    Erschütternd war die Verhandlung gegen das Geschwisterpaar Hirzel. Sie waren noch die reinsten Kinder, sie kamen aus einem Pfarrhause. Besonders der junge Hirzel fiel prompt in jede Fallgrube, die ihm Freisler bereitete, um so erschütternder war aber der Mut, mit dem er illegale Arbeit geleistet hatte.
    Als ich vor die Schranken gerufen und meine Daten verlesen wurden und Freisler mit Hohn auf die vor kurzem erfolgte Hinrichtung meines Bruders und meiner Schwägerin hinwies, ging eine Welle der Erregung durch den Saal. Ich mußte an mich halten, um nicht auszubrechen, um die klare Verhandlungslinie nicht zu verlassen. Unter anderem wurde mir vorgehalten, ich hätte defaitistische Äußerungen getan, daß der Krieg für Deutschland verloren sei. Ich entgegnete Freisler, meine Äußerung sei gewesen: »Ich befürchte, daß Deutschland den Krieg verliere und halte es deshalb für notwendig, sich mit den daraus ergebenden Problemen rechtzeitig auseinanderzusetzen. Die nationalsozialistische Propaganda erklärt: Nach dem Zusammenbruch kommt das Chaos. Diese Propagandarichtung halte ich für überaus gefährlich, denn« – und jetzt mit erhobener Stimme – »Deutschland darf nicht untergehen.« Durch diesen Salto stand ich plötzlich auf der nationalen Plattform. Freisler, der deutlich merkte, daß ihm der Degen aus der Hand geschlagen war, stoppte einen Moment seinen Redefluß und wußte nicht genau, wo er wieder einsetzen sollte, insbesondere, da ich gerade in diesem Moment ein Führungszeugnis eines mir bekannten Generals vorlegen konnte, was verlesen wurde. Mit dieser nervenaufreibenden Taktik gelang es mir allmählich, Freisler auf eine Verhandlungsbasis zu bringen, auf der ich meine Argumente ausführen konnte. Auf die Frage von Freisler, warum ich die Sache nicht angezeigt hätte, argumentierte ich mit meiner Kriegserkrankung – Nerven – und mit den schweren Verlusten, die unsere Familie betroffen hatten und sagte: »Das kann vielleicht eine kalte Maschine, aber kein Mensch. Was Sie erwarten ist – –« da fiel mir Freisler ins Wort und vervollständigte »übermenschlich«. »Nein«, antwortete ich, »fast zuviel für einen Menschen.«
    Für kurze Zeit wurde der Prozeß unterbrochen. Folgendes Ereignis trat ein, das typisch für die Praktiken des Volksgerichtshofs ist: Vier neue Angeklagte, junge Studentinnen, wurden in den Saal geführt, ebenfalls auf die Anklagebank gesetzt. Freisler wurden die Protokolle übergeben und er sagte: »Die vier Angeklagten müssen wir auch noch in unseren Prozeß einbeziehen, meine Herren Rechtsanwälte, teilen Sie sich diese vier Fälle, in der Pause haben Sie Gelegenheit, kurz von den Akten Kenntnis zu nehmen.«
    D.h. nicht mehr oder weniger, die vier Angeklagten hatten
    a) nicht die Möglichkeit, von der Anklageschrift Kenntnis zu nehmen,
    b) sich mit der Verteidigung vor dem Prozeß, wie sonst in der ganzen Welt üblich, zu verständigen und auszusprechen.
    Vierzehn Stunden dauerte der Prozeß, eine Nervenanspannung sondergleichen. Die Zunge klebte im trockenen Mund, die Spannung war nahezu unerträglich. Mittags wurde eine Pause gemacht. Die Herren vom Volksgerichtshof gingen essen. Wir blieben im Saal und nur durch die Gutmütigkeit eines Polizeibeamten erhielten wir eine »Erfrischung«. Diese bestand aus einem Liter-Maßkrug Wasser für uns alle. –
    Gegen 9  Uhr abends begann der Oberreichsanwalt mit seinen Strafanträgen. Todesstrafe wurde gefordert für Schmorell, Prof. Huber, Graf und Grimminger. Die Rechtsanwälte versuchten vorsichtig eine Verteidigung, die im letzten doch nur ein Kotau vor dem Volksgerichtshof war. Dann konnten wir unsere Schlußworte sprechen. Das Schlußwort von Prof. Huber ist ja, da die Aufzeichnungen vorhanden sind, bekannt. Schmorell und Graf blieben einfach und gelassen und bekannten sich zu ihrer illegalen Arbeit, die sie aus dem Glauben an ein besseres Deutschland heraus getan hatten. Bei der Schlußrede des Angeklagten Grimminger kam es zu einem aufsehenerregenden Zwischenfall. Die Frage, ob er sein Geld hergegeben, um eine illegale Bewegung zu unterstützen oder um Kriegsstudenten zu helfen, war noch nicht entschieden. Die Sekretärin von ihm wurde

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