Die Weiße Rose
Verbreiter zu suchen waren. Große Wahrscheinlichkeit sprach für München als Ausgangspunkt, weil hier die überaus große Zahl von Flugblättern ausgestreut wurde, während an den anderen Orten die Übermittlung per Post erfolgte.
Verhältnismäßig rasch konnte festgestellt werden, daß die Briefumschläge der zu Versand gebrachten Flugblätter von einer Münchner Kuvertfabrik stammten und auch das zur Vervielfältigung benützte saugfähige Papier mit ziemlicher Sicherheit in München gekauft wurde. Hinzu kam, daß beim Postamt 23 (an der Ludwigstraße) von ein und derselben Person ungewöhnlich viele Briefmarken zu 8 Pfennig gekauft wurden. Der betreffende Schalterbeamte konnte sogar eine Personenbeschreibung abgeben. Schließlich deutete der Inhalt der Flugblätter darauf hin, daß der bzw. die Verfasser der Flugblätter über einen akademischen Bildungsgrad verfügen mußten, und endlich, daß die Adressen der zum Versand gebrachten Flugblätter in München und Umgebung einem Studentenverzeichnis der Universität entnommen waren.
Mitten in diese Ermittlungstätigkeit kam am Vormittag des 18 . 2 . 43 , etwa um 11 Uhr, von der Universität die telefonische Mitteilung, daß dort kurz vorher von der Balustrade des Lichthofes eine große Zahl von Flugblättern heruntergeworfen worden sei und daß 2 Personen festgehalten werden würden, die vermutlich als die Verbreiter in Frage kämen.
Als ich wenig später in das Vorzimmer des Rektorates geführt wurde, waren auch hier auf einem kleinen Tisch Flugblätter der bekannten Art, allerdings mit der Überschrift »Kommilitoninnen – Kommilitonen«, die man eben im Lichthof eingesammelt hatte, angehäuft. Im gleichen Zimmer befanden sich ein junges Fräulein und ein junger Herr, die mir als die vermutlichen Verbreiter der Flugblätter bezeichnet wurden. Ein Bediensteter der Universität (Schmitt) wollte die beiden in der Nähe der Abwurfstelle gesehen haben. Beide, vor allem das Fräulein, machten einen absolut ruhigen Eindruck und legitimierten sich schließlich durch Vorzeigen ihrer Studenten-Ausweise als das Geschwisterpaar Sophie und Hans Scholl.
Beide wurden mittels Kraftwagen zur Staatspolizei verbracht und im Laufe des Nachmittags und, als sich schließlich die Notwendigkeit dazu ergab, auch in den Abend- und Nachtstunden getrennt voneinander vernommen. Die Vernehmung der Sophie Scholl oblag mir, während Hans Scholl von einem Krim. Sekretär Mahler (aus Augsburg) gehört wurde.
Sophie Scholl versicherte mir zuerst absolut glaubwürdig (das war nach Lage der Dinge nur verständlich), mit dieser Flugblattgeschichte nicht das Mindeste zu tun zu haben. Am Abend vorher habe sie mit ihrer Freundin, ebenfalls einer Studentin (stammt aus Norddeutschland, wenn nicht von Hamburg, war damals etwa 20 Jahre alt, später mitangeklagt und erhielt m.W. 6 Monate Gefängnis) für den 18 . 2 . 43 ein Stelldichein verabredet, um gemeinsam das Mittagessen einzunehmen. Nun habe sich aber dieser Plan geändert, denn sie (Sophie) sei mit ihrem Bruder Hans übereingekommen, gemeinsam nach Ulm zu den Eltern zu fahren, um ihre Wäsche zu holen bzw. einen kurzen Besuch zu machen. Nur aus diesem Grunde seien sie (Sophie und Hans) auf dem Weg zum Bahnhofe zur Universität gegangen, um dort die Freundin, die sich bei einer Vorlesung befunden habe, von der Abreise zu verständigen. So erkläre sich auch das Mitführen des leeren Koffers, der zur Unterbringung der Wäsche bestimmt gewesen sei. Die in Frage stehenden Flugblätter, so erklärte Sophie Scholl weiter, hätten sie beim Gang durch das Universitätsgebäude auf der Balustrade des Lichthofes aufgeschichtet liegen sehen. Im Vorbeigehen habe ihr Bruder, vermutlich weil ihm gerade nichts besseres eingefallen sei, die Blätter mit der Hand in den Lichthof hinabgestreift.
Als die Vernehmung ungefähr bis dahin gediehen war – es lag für mich kein Grund vor, die absolut glaubwürdigen Angaben der Sophie Scholl anzuzweifeln –, kam der Reichsstudentenführer Scheel zu mir ins Zimmer und ersuchte mich, sich kurz mit Sophie Scholl unterhalten zu dürfen. Vermutlich hat dann Sophie Scholl dem Scheel die gleiche Darstellung wie mir gegeben. Jedenfalls muß auch Scheel auf Grund der Unterredung der Auffassung gewesen sein, daß das Geschwisterpaar Scholl mit der Flugblattaktion nichts zu tun haben würde, sonst hätte er wohl beim Weggehen nicht die Äußerung gebraucht: »Macht der deutschen Studentenschaft keine
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