Die weiße Schmuggler-Jacht
„Diese
verdammten Bälger! Rotzfrech sind sie mir gekommen. Und jetzt das! Aber die
können unmöglich erkannt haben, um was es sich handelt. Das sind keine Fixer.
Die haben keine Erfahrung mit Drogen. Vielleicht haben sie’s für Mehl gehalten.
Oder Mottenpulver. Aber keine Panik, Dragoumi! Die Wänster wohnen hier im
Hotel. Wenn wir...“
„Bleiben Sie in Ihrem Zimmer!“
unterbrach ihn der Grieche. „Ich melde mich wieder.“
Er legte auf. Erst in diesem Moment
fiel ihm ein, daß er nicht allein war.
Nancy stand bei der Tür und machte
große Augen.
„Mein Gott!“ flüsterte sie. „Das hätte
ich denen nicht zugetraut. Sie haben den Koffer aufgebrochen? Es fehlt was, ja?
Dabei sahen sie so ehrlich aus. Hoffentlich stimmt’s, was sie gesagt haben, daß
sie im Astir Palace wohnen. Zimmer 323.“
Dragoumi glotzte sie an. Die Zunge hing
ihm zwischen die Zähne, und in seinen schwarzen Augen stand Eiseskälte. Aber
das galt nicht Nancy.
Ja, dachte er. Was sie angegeben haben,
stimmt. Wie ja auch Uhl sagt, wohnen die vier im Hotel. Großmütig geben sie
hier ihre Adresse an. Sogar mit Zimmernummer. Weshalb wohl? Uhl irrt sich. Die
haben genau erkannt, was in den Beuteln ist. Jetzt haben sie das Heroin und
warten darauf, daß ich ihnen ein Angebot mache. Geld wollen sie rausschinden.
Mich ein bißchen erpressen. Mich? Den Kabála natürlich, von dem sie annehmen,
daß er der Dealer ist. Aber ihr werdet euch wundern, ihr vier.
„Weshalb rege ich mich auf!“ sagte er
zu Nancy. „Die Bälger haben mich — will sagen, meinen Teilhaber — zwar beklaut.
Aber das läßt sich verschmerzen.“
„Also doch. Und was fehlt?“
„Eine Uhr. Eine ziemlich wertvolle
Armbanduhr.“
„Ach, und die war in den Schuhen, ja?“
„Ja. So wollte Kabála sie — einschmuggeln.“
Er grinste verschwörerisch.
„Ist Herr Kabála verheiratet?“ fragte
sie arglos.
„Was? Nein. Weshalb... Ach, Sie meinen wegen
der Damengarderobe im Koffer? Die gehört seiner Bekannten.“ Er merkte, daß er
auf Glatteis war, und wechselte das Thema. „In einer halben Stunde, Nancy, holt
Ihr heißgeliebter Athanase Sie ab. Wird auch Zeit, daß Sie untertauchen.“
In ihre Rehaugen trat ein fragender
Ausdruck.
„Ich war eben am Mandraki-Hafen“,
nickte er, „wo die schicken Jachten ankern. Die All-Star liegt am Pier.“
Nancys Lippen zuckten.
„Ja, Ihr strenger Vater, Nancy, steht
Ihrem Glück im Wege. Er sucht Sie. Und ist bereits hier — mit seinem
Superschiff und grimmigen Leibwächtern. Die Suche nach Ihnen hat begonnen. Sie
tun mir leid. Und wer weiß, was mit Athanase geschieht, wenn er Ihrem Vater in
die Hände fällt. Ich kann euch nur raten: Seid vorsichtig! Verkrümelt euch!
Ihre Familie, Nancy, kennt keine Rücksicht.“
Sie war erbleicht bis ins T-Shirt.
Tränen füllten die Augen.
„Ich habe einen Brief an meinen Vater
vorbereitet“, sagte sie. „Vielleicht lenkt er ein, wenn er ihn liest. Sie
wollten einen Boten hinschicken.“
„Mache ich. Klar! Für Sie und meinen
Freund Athanase ist mir keine Mühe zu groß. Natürlich muß mein Bote sehr
vorsichtig sein. Sonst hängen sich die Leibwächter Ihres Vaters an seine
Fersen.“
Sie nickte. Fahrig strich sie sich über
die Stirn. „Manchmal“, flüsterte sie, „weiß ich nicht mehr, was richtig ist.
Mein Vater hat immer alles für mich getan. Und mit meiner Stiefmutter verstehe
ich mich prächtig. Wenn sie nur nicht so voreingenommen gegen Athanase wären.
Ich liebe ihn und will seine Frau werden.“
„Das ist auch Ihr Recht“, meinte er und
mußte an sich halten, um nicht schallend zu lachen.
*
In der Stadt schien die Luft zu kochen.
Hohe Häuserzeilen hielten den Seewind ab, der sonst überall über die Insel
streicht und die Hitze mildert.
Klößchen schnaufte, trocknete sich mit
dem Taschentuch das Gesicht und hatte keinen Blick für die griechischen Läden.
Viele boten nur Kitsch feil, aber einige hatten sich auf rhodische Volkskunst
spezialisiert. Und das war sehenswert. Gaby geriet in Verzückung und zog Tim an
der Hand mal hierhin, mal dorthin.
Karl war Klasse als Fremdenführer. Sie
gingen die Sofias Gallias, eine breite Straße, hinunter: zum Hafen, wo auch der
Markt liegt — direkt unter den Hängen eines terrassenförmigen Gartens. Er
gehört zum Großmeister-Palast, dem wuchtigsten Gebäude, das die Stadt überragt
und eingegliedert ist in die gewaltige Stadtmauer.
„Irre!“ meinte Tim, als sie über den
Markt gingen.
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