Die weiße Schmuggler-Jacht
mit ihr was nicht stimmt. Die steht doch irgendwie unter Druck.“
„Vielleicht steckt ihr Verlobter mit Kabála
unter einer Decke und sie ahnt, daß da was faul ist.“
Sie gingen ein Stück.
Bis Karl plötzlich sagte: „Wohin wollen
wir eigentlich? Zurück zum Hotel? Mitnichten! Man erwartet uns auf der Jacht,
falls ich daran mal erinnern darf. Also auf zum Hafen! Der liegt auf der
Ostseite. Wir müssen quer durch die Neustadt. Ist nur ein Katzensprung.“ Er zog
einen Stadtplan aus der Tasche und orientierte sich. „Aha! Diese Richtung. Mir
nach!“
6. Weil die Götter neidisch waren
Aristoteles Dragoumi war Grieche: ein
großer, fetter Kerl von 44 Jahren — mit schwarzem Schnauzbart und verschlagenem
Blick.
Er parkte seinen amerikanischen
Straßenkreuzer vor dem Gittertor, ging zum Haus und schloß auf. Es war sein
Haus.
In der dunklen Diele stolperte er über
den Koffer. Laut fluchend rieb er sich das Schienbein.
Eine Tür öffnete sich.
„Sind Sie’s, Ari?“ fragte Nancy.
„Wer sonst! Ist das Ihr Koffer?“
„Nein. Er wurde gebracht. Gehört Herrn Kabála,
Ihrem Teilhaber.“
Dragoumi unterdrückte ein Grinsen.
Schöner Teilhaber, dachte er. Die Amerikanerin glaubt wirklich alles. Na, gut!
Dann gibt es ihn eben, den Kabála. Das Phantom, das wir erfunden haben — damit
die Uhlschen Koffer hier landen, wenn mal was schiefgeht.
Den Trick hatte er sich ausgedacht. Es
gab keinen Elias Kabála. Nichts existierte von ihm — außer der vermeintlichen
Anschrift und Telefonnummer am Koffer. Das mußte sein, falls die Uhls vom Zoll
erwischt wurden. Sie hätten behauptet, nur den Koffer eines flüchtigen
Bekannten mitzubringen — den Koffer, den er ihnen in Deutschland übergeben
habe. Forschte die Polizei dann hier nach, hätte er, Dragoumi, nur
verständnislos die Achseln gehoben. Elias Kabála? Nie gehört. Hier wohnt der
bestimmt nicht. Wohl ein Irrtum?
Leider hatte sich Athanase einen Scherz
erlaubt, als er vorhin in Nancys Gegenwart von Elias Kabála, Dragoumis
Teilhaber, faselte. Der ja bisweilen hier wohne. Der heute erwartet werde. Der
geschäftlich in Athen zu tun habe. Er hatte gesponnen, weil er ein zynischer
Kerl war. Na, schön! Daß Nancy mit Polizisten redete, war nicht zu befürchten.
Im Gegenteil! Hatte sie doch allen Grund, sich von ihnen fernzuhalten.
„Sehr gut“, sagte Dragoumi. „Haben sie
also den Koffer gebracht? Sehr gut!“
„Ach, Sie wußten davon“, wunderte sich
Nancy.
„Klar. So machen wir das jedesmal. Die
beiden sind Freunde von uns. Ähem! Will sagen: Sie haben schon oft den Koffer —
Kabálas Koffer — aus Deutschland mitgebracht.“
„Die beiden? Es waren vier.“
„Was?“
„Es waren vier Kinder. Eigentlich mehr
Jugendliche. Jedenfalls ist der Tim sehr groß und kräftig.“
„Wovon reden Sie?“ schrie er. „Ich
verstehe kein Wort. Die Uhls haben doch den Koffer gebracht. Ein Ehepaar aus
Deutschland. Dietmar und Kathrin Uhl.“
„Nein. Ari, ich glaube, wir haben eben
aneinander vorbei geredet. Das war ganz anders. Den Koffer der Uhls — den hat
aus Versehen Herr Kabála an sich genommen. Am Flughafen. Und die vier
Jugendlichen aus Deutschland haben... Jedenfalls wurden die Koffer vertauscht,
und Herrn Kabálas Koffer haben sie jetzt hergebracht. Ist doch nett, nicht?“
Dragoumi spürte, wie ihm der kalte
Schweiß ausbrach. Er begriff noch nicht. Hastig nahm er den Koffer und
schleppte ihn in den luxuriösen Salon, wo eine Klimaanlage für angenehme Kühle
sorgte.
In diesem Moment schrillte das Telefon.
Er riß den Hörer ans Ohr und knurrte
seinen Namen.
„Ich bin’s“, sagte Uhl. „Da ist eine
verdammte Panne passiert. Nicht unsere Schuld, wie Sie sich denken können.
Jedenfalls...“
Er berichtete. Jetzt konnte Dragoumi
sich ein Bild machen.
„Der Koffer ist hier“, sagte er. „Sie
haben ihn hergebracht.“
„Und? Alles drin?“
„Was? Ach so! Ich habe ihn nicht in
Empfang genommen. Bin eben erst gekommen. Hatte noch keine Zeit, nachzusehen.
Moment.“
Er bückte sich. Sein Blick fiel auf das
geborstene Schloß. Er warf den Hörer auf den Tisch. Das zweite Schloß war nur
eingerastet, nicht abgeschlossen. Er löste die Riemen und klappte den Deckel
hoch. Wieder griff er zum Hörer.
„Die... die haben ihn aufgebrochen. Wo
ist es?“
„In den Schuhen!“
Seine Hände zitterten, als er nachsah.
„Nichts!“ brüllte er in den Hörer. „Nichts.
Leer. Es ist weg.“
Uhls Atem pfiff in der Leitung.
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