Die weiße Schmuggler-Jacht
Kunstfertigkeit. Doch diese Zeiten sind vorbei. In die Vergangenheit
gehören auch die kostbar geschmückten Dolche aus Indien — wie den Kharoll, der
eine gerade Klinge hat, der Khanjar mit leicht geschwungener Klinge, oder der
Katar mit verstärkter Stoßklinge und Doppelbügelgriff. Künstlerische
Spitzenstücke sind die Dolche aus der Moghul-Zeit, also aus dem 17 Jahrhundert.
Damals hat man die Griffe aus Stein geschnitten und mit Gold, Edelsteinen und
Emaille verziert.“
„Oh! Wundervoll!“ rief Roswell. „Du
bist Fachmann. Nachher zeige ich dir den Chilânum, den ich neulich gekauft
habe. Er stammt aus dem 18. Jahrhundert. Aus Nepal, selbstverständlich. Er
gehörte einem Kriegshelden. Ein herrliches Stück. Aber Satans siebte Rippe soll
die Krone meiner Sammlung werden.“
Tim ahnte, was er meinte. „Wird Sultan
Süleymans Dolch so genannt?“ erkundigte er sich.
„Richtig.“ Baker nickte. „Aber zu
Unrecht, meine ich. Denn Sultan Süleyman war kein Satan, war nicht wie Selim,
sein Vater. Der hat Völker zertrümmert, hat Ägypten und Syrien 1517 erobert,
war gewalttätig, brutal und dem Opium verfallen. Dessen Dolch, über den man
aber nichts weiß, hätte den Namen verdient. Süleyman war anders, ein blasser
schlanker Mann mit Adlernase und finsteren Augen. Gewalt wandte er nur dann an,
wenn es ihm im Interesse des Staates unumgänglich erschien. Aber er war klug.
Unter ihm erreichte das osmanische — also türkische — Reich seine größte
Ausdehnung. Er eroberte Rhodos dazu, Siebenbürgen und Ungarn. Er wollte auch
die Insel Malta, wo inzwischen die von Rhodos vertriebenen Kreuzritter Fuß
gefaßt hatten, erobern. Aber das mißlang. Auch sein Sturm auf Wien führte zu
nichts. Süleymans Krummdolch ist mit Brillanten besetzt. Wie die Chronik
überliefert, verlor er ihn 1523 — zu Anfang des Jahres — , als die Türken hier
in Rhodos ein Fest feierten. Vielleicht wurde er ihm gestohlen. Jedenfalls war
Satans siebte Rippe über Jahrhunderte verschollen. Erst Anfang dieses
Jahrhunderts tauchte er wieder auf: bei einem Waffenhändler in Izmir. Der
verkaufte ihn an einen griechischen Sammler in Piräus. Der veräußerte ihn an
einen englischen Lord. Der hatte den Dolch auf seiner Jacht, die 1938 hier in
Rhodos ankerte. Ein Matrose stahl den Dolch. Wenig später fand man die Leiche
des Matrosen in Kámiros. Das ist eine Stadt an der Westküste. Der Täter wurde
nie entdeckt. Man nahm an, daß es ein Fremder war, der die Insel längst
verlassen hatte. Dann war der Dolch wieder verschollen. Bis Dr. Johnson auf ihn
stieß. Johnson ist Professor für Orientalistik, also ein Kenner der
orientalischen Sprachen und Kulturen. Als er vorigen Monat hier Urlaub machte,
wurde ihm der Dolch von einem Unbekannten angeboten. Johnson erkannte sofort,
worum es sich handelt. Leider fehlten ihm die Mittel, um den Dolch zu erstehen.
Aber er kündete an, daß er mir Bescheid geben werde — und ich am Kauf bestimmt
interessiert sei. Egal, zu welchem Preis. Johnson erkrankte dann an einer
Virus-Infektion und lag wochenlang in Athen im Krankenhaus. Dadurch verzögerte
sich alles. Aber kaum in New York zurück, informierte er mich. Da wir, Suzy und
ich, ohnehin hierher mußten, versuche ich nun, zwei Fliegen mit einer Klatsche
zu schlagen. Vielleicht kann ich den Dolch in meine Sammlung einreihen.
Jedenfalls soll ich mich an einen gewissen Leofóros wenden, einen
Andenkenhändler.“
„Es packt einen richtig“, meinte Tim, „wenn
man hört, was für eine bewegte Geschichte dieser Dolch hat.“
„Davon hätte er sich nichts träumen
lassen, der Dolch“, krähte Klößchen, „als ihn Süleyman damals benutzte.
Natürlich nicht zum Töten — das war ja nicht sein Bier — , aber vielleicht um
von seinem Butterbrot die Rinde abzuschneiden, falls er schlechte Zähne hatte,
oder zum Säubern der Fingernägel, weil’s zu jener Zeit noch keine Nagelfeilen
gab. Bestimmt ist Satans siebte Rippe eine Kostbarkeit.“
Zweifelnd sah Baker das dickste TKKG-Mitglied
an. Machte Klößchen Witze? Oder passierten ihm manchmal solche Geistesblitze?
„Aber jetzt“, sagte Gaby rasch, „sind
sie nicht der einzige, der nach dem Dolch trachtet. Wir hörten, daß ein
gewisser Pritchett keine Mittel scheut, um Ihnen wertvolle Stücke
wegzuschnappen.“
„Und wie du da recht hast, Gaby“,
meldete sich Tante Suzy zu Wort. „Pritchett ist ein Verbrecher. In New York
wurde uns zugetragen, daß er irgendwas erfahren hat. Er wird
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