Die weiße Schmuggler-Jacht
warum nicht jetzt?“
Baker überlegte. Seine Hand spielte mit
dem Olivenkern. Dann schüttelte er den Kopf.
„Deine Überlegung ist grundsätzlich
richtig, Gaby. Aber Mitilini wird noch warten. Wahrscheinlich fühlt er sich
sicher. Er hat hier den Heimvorteil. Vor allem aber wird er alles versuchen, um
den Preis hochzutreiben. Wenn er mich und Suzy mürbe gemacht hat, dann kann er
seine Forderung stellen. Also wird er warten, bis wir völlig fertig sind mit
den Nerven. Leider ist seine Überlegung richtig.“
„An Ihrer Stelle“, sagte Tim, „würde
ich mich an diesen Leofóros wenden, den Andenkenhändler, der den Dolch hat,
beziehungsweise weiß, wo er ist. Werden Sie mit ihm handelseinig, zahlen Sie
ihm einen guten Preis! Dann — das könnte ich mir denken — ist der bereit, Ihnen
zu helfen. Als Einheimischer hat er bestimmt viele Bekannte, vielleicht auch
Verbindungen zu anderen Geschäftemachern. Vielleicht weiß jemand was über
Mitilini und Nancy. Leofóros Geschäft mit Ihnen ist doch vermutlich nicht ganz
gesetzlich. Ich meine, wenn die griechische Regierung von Satans siebter Rippe
wüßte, würde sie den Dolch beschlagnahmen und in einem Landesmuseum ausstellen.
Museen sind ja hier sehr in — nicht zuletzt, weil sie den Tourismus ankurbeln. Leofóros
ist also etwas zwielichtig. Meistens sind Freunde und Bekannte vom gleichen
Schlag. Ist doch logisch, daß die Zwielichtigen auch die ganz Finsteren kennen,
die Rauschgift-Schmuggler. Habe ich recht?“
„Dein Gedanke ist einen Versuch wert.“
Baker schob seinen Teller weg. „Leofóros wohnt... ja, richtig, er wohnt in der
Straße hinter seinem Geschäft — sagte mir Dr. Johnson. Das Geschäft — oder
vielmehr der Laden — befindet sich in der Agora. Keine Ahnung, was das...“
„Das ist der neue Markt“, rief Karl
dazwischen. „Sozusagen direkt gegenüber. Hinter den Häusern drüben. Aber die
Läden schließen um halb neun. Da geht jetzt nichts mehr. Wir müssen ihn zu
Hause aufsuchen.“
Baker zögerte. Dann spielte ein
schwaches Lächeln um seinen Mund. „Also gut, ihr könnt mitkommen. Daß überhaupt
was vorangeht, verdanken wir euch: Dragoumis Adresse und — die Festnahme des Briefboten
durch Tim. Wäre ich nicht so ungeschickt gewesen...“
Er sprach nicht weiter, sondern stand
auf. Sofort waren auch Gaby, Karl und Tim auf den Beinen. Lediglich Klößchen
klebte am Sessel und schob sich noch rasch drei gefüllte Löffel in den Mund.
Suzy blieb an Bord, bewacht von den
Matrosen.
Baker und seine jungen Freunde
stiefelten über die Gangway.
Tim nahm Gaby bei der Hand, obwohl
keine Gefahr bestand, daß sie sich absonderte oder verlief. Lächelnd stupste
sie ihn an mit der Schulter. Ihr Goldhaar sah im Mondlicht aus, als wäre es mit
Silberglanz übergossen.
Die Cafés hatten noch Hochbetrieb. Zu
Hunderten saßen die Urlauber dort, auch Einheimische. Aber auf der Mole
schlenderten nur noch wenige auf und ab.
Karl führte. Baker hatte ihm die Straße
genannt. Sie hieß Sofias Gallias. Sie überquerten die breite Fahrbahn, wandten
sich nach rechts und gingen an den Cafés vorbei.
Tim fing Bemerkungen auf. An einem
Tisch, wo Deutsche saßen, meinte ein rüpelhafter Bursche: „Seht euch den Ami
an. Ich glaube, das ist der Skipper der Luxusjacht. Und vier Kinder hat er.
Aber keins sieht ihm ähnlich.“
„Wir sind nicht seine Kinder“, sagte
Tim im Vorübergehen. „Wir sind griechische Götter. Und können zaubern. Soll ich
Sie in einen Esel verwandeln?“ Er schnippte mit den Fingern. „Peng! Schon
passiert. Aber Sie merken keinen Unterschied, wie?“
Am Tisch wurde gröhlend gelacht — auf
Kosten des Rüpels.
Karl führte die Gruppe eine Straße
hinauf und äugte nach den Hausnummern. Es war ein Eckgebäude, wo er halt
machte.
„Hier müßte es sein.“
Tim blickte in eine dunkle
Seitenstraße, die nach kurzer Strecke in eine erleuchtete Geschäftsstraße
mündete. Eine bullige Gestalt schob sich in einen Hauseingang. Trug der Mann
einen Hut, einen Stetson?
Tim spähte in die Dunkelheit. Aber die
Entfernung war zu groß, und die Gestalt verschwand. Tim war sich nicht sicher,
ob er eben den bulligen Amerikaner gesehen hatte, gegen den er vorhin auf der
Mole versehentlich gerempelt war.
Baker hatte am Eingang eine Klingel mit
Namensschild entdeckt. Er drückte auf den Knopf.
„Mr. Baker“, sagte Tim, „wie sieht
eigentlich Ihr Konkurrent aus, dieser Pritchett?“
„Er würde dir nicht gefallen. Ich
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