Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
Vom Netzwerk:
die Verlaß war. Ein Mann, von dem vieles zu erwarten war, nur eines nicht: ein Kompromiß mit den Kommunisten.
     
    V
     
    WO DAS MEER AUFHÖRT
     
    Fred Kolberg ging langsam die Graham Road hinunter, ohne ein Ziel zu haben. Während Autos und Rikschas an ihm vorüberfuhren, die quirlende Masse der unzähligen Menschen ihn ringsum gleichsam einschloß mit ihrem Lärm, dem Stimmengewirr, Geklingel und Geschrei, überlegte er, was er nun tun könnte. An eine Ausreise mit den gefälschten Pässen war nicht zu denken. Vermutlich hatte Brautmann bereits die Polizei alarmiert. Zu Chennault zurück? Unmöglich! Aber wohin?
    Er kaufte im Vorbeigehen bei einem Straßenhändler ein Päckchen Zigaretten und setzte sich an einer Grünanlage auf eine Bank. Er hatte die Zigarette noch nicht aufgeraucht, als ihm plötzlich jener polnische Steuermann einfiel, den er in der Kneipe in Kowloon getroffen hatte. In der »Päonie« war es gewesen. Und der Pole hatte erklärt, sein Schiff liege mit Schraubenschaden im Dock.
    Kolberg stieg, ohne lange zu überlegen, in eine Rikscha. Eine halbe Stunde später war er an der Fähre, die ihn nach Kowloon brachte.
    Es dauerte lange, bis er herausgefunden hatte, in welchem Dock die »Kosciuszko« lag. Als er endlich dort ankam, war von dem Schiff nichts zu sehen. Vorsichtig erkundigte sich Kolberg bei einem Hafenbeamten. Der zog ein abgewetztes Notizbuch aus der Tasche und blätterte.
    »Polnisches Schiff, sagen Sie?«
    »Ja. Mit Schraubenschaden.«
    »Den Namen wissen Sie nicht?«
    »Unaussprechbar«, erklärte Kolberg. »Einer von diesen polnischen Namen.«
    Der Beamte nickte verständnisvoll. Es gab kaum einen Engländer, dem es Vergnügen machte, polnische Namen auszusprechen. »Kann nur die ,Kosciuszko‘ sein«, meinte er schließlich. »War in der letzten Zeit das einzige polnische Schiff hier.«
    »War? Soll das heißen, daß es bereits ausgelaufen ist?«
    »Hm«, machte der Beamte, »ausgelaufen vielleicht nicht. Aber im Dock ist es nicht mehr. Liegt vielleicht auf Reede. Kommen Sie mal mit.«
    Er ging mit Kolberg bis zu einem Glaskasten, der ein Telefon enthielt, und wählte eine Nummer. Als er wieder auflegte, sagte er: «Habe schon recht gehabt. Liegt draußen, vor dem Navy Repair Basin. Wissen Sie, wo die Jordan Road ist?«
    »Legt da nicht die Yaumati-Fähre an?«
    »Genau dort«, bestätigte der Beamte. »Wenn Sie am Ende der Jordan Road ins Wasser springen und eine Viertelstunde schwimmen, sind Sie da. Wollen Sie jemanden besuchen?«
    »Das schon«, gab Kolberg zurück. »Aber wenn es sich ohne Schwimmen machen ließe ... «
    Der Beamte grinste. »Nehmen Sie einen Sampan. Aber treiben Sie den Fahrer an. Der polnische Kahn ist fertig
    zum Auslaufen.« Er sah belustigt hinter Kolberg her, der nach einem hastigen Gruß eilig davonlief.
    Bei der Fähre an der Jordan Road lagen wie immer ein paar Sampans, die für einige Hongkong-Dollar Passagiere fuhren. Als Kolberg sich bemerkbar machte, ruderte ein dunkelhäutiger, sehniger Kantonese sein Fahrzeug heran und half dem außer Atem geratenen Europäer beim Einsteigen.
    »Polnisches Schiff?« fragte er. »Werden wir finden, Mister!« Er wußte nicht, wo die »Kosciuszko« ankerte, aber als er an den Fahrzeugen der übrigen Sampanfahrer vorüberglitt, rief er ihnen etwas zu, und einer zeigte ihm die Richtung. Dort draußen waren mehr als ein Dutzend Schiffe.
    Kolberg brauchte den Mann nicht anzutreiben. Er ruderte das kleine, schmale Boot mit schnellen Schlägen hinaus, und wenig später glitt es bereits an dem ersten Schiff vorbei. Es war ein Däne. Das nächste war ein Holländer, dann ein Schwede, und schließlich streckte der Sampanfahrer aufgeregt den Arm aus und wies auf einen großen, schneeweißen Frachter, an dessen Bug in blankgeputzten Messingbuchstaben »Kosciuszko« stand. Er ruderte den Sampan bis an das Fallreep heran, legte die Hände zum Trichter geformt an den Mund und stieß einen langgezogenen, mißtönenden Schrei aus. Nach einiger Zeit beugte sich ein Matrose über die Reling und erkundigte sich auf polnisch: »Willst du zu unserem Zahnarzt? Oder ist es bloß die Mittagshitze?«
    Als er Kolberg in dem Sampan entdeckte, besann er sich und suchte ein paar englische Brocken zusammen. »He, Mister! Was kann ich für Sie tun?«
    »Der Erste Steuermann«, rief Kolberg zurück. »Ich muß den Ersten Steuermann sprechen!«
    Der Matrose Edward Novik, ein noch sehr junger, strohblonder Mann, schob sich bedeutungsvoll die

Weitere Kostenlose Bücher