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Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Krankenhaus. Fred ahnte, daß sie es kaum noch einmal verlassen würde.
    »Eigentlich hätten die von der Laubenstraße mal wieder richtige Prügel verdient«, gab einer zu bedenken. »Gestern haben sie behauptet, wir hätten Angst vor ihnen.«
    »Weil der lange Ermlich jetzt boxen lernt, was?« Fred Kolberg lachte. »Was der lernt, das können wir schon ziemlich lange. Bestellen wir sie auf die Schutthalde?«
    Sie einigten sich schnell. Dann flitzten sie nach Hause. Fred Kolberg verschlang das Mittagessen, das für ihn bereitstand. Dann wusch er das Geschirr ab und baute die Betten, die noch vom Morgen zerwühlt dalagen. Zuletzt kehrte er auf und wischte oberflächlich Staub. Seit die Mutter krank war, gehörte all das zu seinen Pflichten, die er vor den Schulkameraden streng geheimhielt.
    Sie verprügelten die von der Laubenstraße und auch die aus der Siedlung. Sie bezogen Prügel von einer anderen Straßenbande und brüteten auf Rache. Zwischendurch erledigten sie ihre Hausaufgaben, entschieden sich für Berufe oder verdienten sich ein paar Mark durch Koffertragen. Es verging jedoch kaum ein Tag, an dem Fred Kolberg nicht in seinem Atlas blätterte.
    Mit siebzehn hatte er ausgelernt. Als Motorenschlosser verdiente er gutes Geld. Er kaufte sich einen vernünftigen Anzug und einen Siegelring. Der Traum, die Welt zu sehen, hatte sich noch nicht erfüllt. Ein Jahr darauf riß Hitler die Macht an sich. Ein weiteres Jahr später, fast auf den Tag genau, legte Fred Kolberg seinem Chef die Kündigung auf den Tisch. Es war an einem Sonnabend. Kolberg war für den Nachmittag verabredet.
    Das Mädchen war sehr jung. Sie verkaufte Babywäsche in einem Laden am Anger. Einmal hatte sie ihre Tasche in der Straßenbahn liegenlassen, und Fred hatte sie ihr nach Hause gebracht. Seither gingen sie zusammen aus.
    »Wirst du mir schreiben?« wollte sie wissen. Er versprach es. »Und du wirst zurückkommen?« Er ahnte, weshalb sie diese Frage stellte. Mädchen, die Babywäsche verkaufen, wollen heiraten und selbst Babys haben, dachte er. Ob es am Beruf liegt? »Vielleicht.« Er zog eine Schachtel Lloyd aus der Tasche und zündete eine der billigen Zigaretten an. Laut Gesetz mußte er noch ein Jahr warten, bis er rauchen durfte, aber hier oben am Rande des Steigerwaldes war kaum zu fürchten, daß ihn jemand entdeckte.
    »Kommst du auch nicht in Urlaub?«
    »Wozu?« fragte er. »Nur um zu sehen, wie mein Vater sich besäuft, weil er nicht darüber hinwegkommt, daß Mutter tot ist?«
    »Du könntest bei uns wohnen«, schlug das Mädchen vor. »Ich würde mit meinen Eltern reden.«
    Augsburg hieß die Stadt, in der er in genau drei Wochen sein würde, in einem der neuen Flugzeugwerke Deutschlands. Er hatte sich viel vorgenommen. »Ich werde zu tun haben«, meinte er. »Die neue Arbeit. Und fliegen lernen.«
    »Ich möchte auch mal fliegen«, sagte das Mädchen. »Mit dir.«
    Er sah hinüber zu den Feldern, wo die neue Autobahn angelegt wurde. Überall lag Baugerät herum, an den Rändern türmten sich frische Erdhaufen. Fred Kolberg spielte mit dem Haar des Mädchens, das ganz still neben ihm lag. »Vielleicht fliegst du später mal mit mir. Wenn ich Pilot bin. Vorläufig will ich Motorenschlosser bei Messerschmitt sein. Ob die mich nachher ausbilden, weiß man noch nicht.«
    Sie bildeten ihn aus, noch bevor er jenes Mädchen vergessen hatte. Nachdem sie sein Interesse für die Fliegerei erkannt hatten, schickten sie ihn zur Fliegerschule. Er mußte viel lernen, aber Fred Kolberg war ein gelehriger Schüler. Es entging seinen Lehrern nicht, daß er oft nachts noch über den Büchern saß. Gegen Ende der Ausbildung steuerte er den kleinen Doppeldecker mit traumhafter Sicherheit durch die vorgeschriebenen Turns und Rollen. Er landete so sanft, daß ein lose in der Kabine herumrollendes Ei nicht zerbrach, und gewann damit eine Wette von hundert Mark. Doch seine Sicherheit brachte ihm noch mehr ein.
    »Hören Sie genau zu, Kolberg«, empfing ihn eines Tages der Chef der Entwicklungsabteilung. »Wir haben Ihnen einen Vorschlag zu machen. Sie können sich verbessern. Wollen Sie Testflieger werden?«
    Es kam überraschend für ihn, aber er war von Anfang an für die Sache begeistert. Seine Bedenken wurden vom Chef der Abteilung als nichtig abgetan. »Sie kennen unsere Motoren bis ins kleinste Einzelteil. Sie fliegen wie ein Alter, Testpiloten sind knapp. Wenn Sie die Chance wahrnehmen, helfen Sie sich selbst, aber auch Deutschland. Sie wissen,

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