Die weissen Feuer von Hongkong
ging, um dann in pfeilschnellem Sturzflug herabzusausen. Dicht über den leicht schäumenden Wellenkämmen brachte Kolberg sie wieder in Horizontallage.
Kagawe griff zu dem Mikrophon, über das die BodenkontrollsteIle mit dem Piloten in Verbindung stand. Er sagte freundlich: »Paß auf, daß du keine Wasserspritzer in die Ölkühler bekommst. Und Tamiko trug mir heute morgen einen Gruß an dich auf.«
Aus dem Lautsprecher kam knarrend Kolbergs Antwort, der sich wohlakzentuiert bedankte: »Domo arigato gozaimasu!«
Einer der Monteure lachte, als er es hörte. »Der Deutsche lernt Japanisch!«
Kagawe brummte nur beiläufig: »Er wird es brauchen können.«
Sie heirateten vier Wochen später. Kagawe gelang es, ein kleines Häuschen für sie ausfindig zu machen. Sie bezogen es noch, bevor sie zu ihrer Hochzeitsreise aufbrachen. Erst jetzt sah Kolberg ein wenig mehr von dem Land. Sie besuchten Tokio und Yokohama, sahen den Fudschijama und den Meakan, badeten an den Küsten und wanderten durch endlose Tempelwälder. Einen Monat danach griff Japan Hawaii an.
*
Als Kolbergs Frau ihr Kind zur Welt brachte, befand sich ganz Japan in einem Siegestaumel. Die Soldateska des
Tenno hatte weite Landstriche Ostasiens besetzt, und die Zeitungen kündigten offen an, daß dies erst der Anfang sei.
Tamiko kam jeden Abend mit dem kleinen Bertold auf dem Arm zum Flugplatz, um Kolberg abzuholen. Seit ihrer Heirat arbeitete sie nicht mehr. Kamen sie nach Hause, brachten sie zuerst den Jungen zu Bett. Dann badeten sie nach japanischer Sitte in dem gekachelten Becken des Hausbades, rieben einander mit aufgeweichter Baumrinde die Haut ab, bis sie krebsrot und erfrischt waren. Es machte Kolberg Spaß, mit Tamiko gemeinsam japanische Gerichte zu kochen. Sie lagen in der Dunkelheit auf ihren Schlafmatten, und Tamiko gab sich Mühe, Kolberg ihre Muttersprache beizubringen. Er machte Fortschritte, manchmal wunderte er sich sogar selbst über sein Sprachtalent. Er lernte eifrig. Bald besorgte er sich auch Lehrbücher der englischen Sprache, und zuweilen mußte Tamiko ihm einfach alle Bücher wegnehmen, um ihn zu einem abendlichen Spaziergang zu bewegen.
Um diese Zeit wurden die Nachrichten, die Fred Kolberg aus Deutschland bekam, immer spärlicher. Zuerst hatte ihn noch der Kriegsverlauf interessiert, aber nun beschäftigte ihn seine Familie so sehr, daß er sich immer weniger darum kümmerte, was in Europa vor sich ging. Das Werk hatte ihn wissen lassen, daß man ihn sehr gern als Piloten behalten würde, auch nachdem sein Arbeitsvertrag abgelaufen war. Der deutsche Konsul kümmerte sich kaum um ihn. Er hätte sich vergessen gefühlt, wären nicht Tamiko und das Kind gewesen. Ihn verband also recht wenig mit der Welt, aus der er gekommen war. Dafür fühlte er sich von Monat zu Monat mehr von den Problemen berührt, die Japan betrafen.
Nach der Schlacht im Korallenmeer wurde Kagawe an die Front versetzt. Die Meldung von seinem Tode traf ein Vierteljahr später ein. Wenn Kolberg mit Tamiko allein war, sprachen sie nun immer häufiger von der Zukunft. Es war das Kind, das sie zum Nachdenken brachte.
»Ich würde nie den Mut haben, das einem anderen Menschen als dir einzugestehen«, begann Tamiko eines Abends, »ich habe Angst.«
Sie lagen auf den Schlafmatten dicht beieinander. Durch die Papierfenster des Hauses drang mattes Sternenlicht. Das Geräusch von Flugzeugen war in der Luft.
»Angst vor dem Krieg?«
»Vor dem Ende«, sagte sie leise. »Ich glaube nicht, daß es richtig ist, wenn Japan die halbe Welt erobern will.«
Lange Zeit waren sie still. Der Mann brach das Schweigen. »Bei uns zu Hause haben sie genauso geredet wie jetzt hier. Ich fürchte, unsere beiden Länder werden das gleiche Schicksal haben. Ich habe mich nie viel für Politik interessiert. Nur die Fliegerei hat mich beschäftigt. Heute glaube ich, das ist ein Fehler gewesen.«
Sie sagte leise: »Eure Truppen siegen nicht mehr. Unsere werden geschlagen. Und wir leben in unserem Haus dahin, ohne uns über das alles Gedanken zu machen. Aber wie lange noch?«
Sie schmiegte sich enger an ihn. Es wurde ihm in solchen Augenblicken seltsam bewußt, daß sich der Traum seiner Kinderzeit nur scheinbar erfüllt hatte. Die weite Welt hatte sich ihm geöffnet. Seine Frau verkörperte alles, was ihm früher als die letzte Erfüllung seiner Wünsche vorgeschwebt hatte. Trotzdem konnte er nicht zufrieden sein.
»Es ist der Krieg«, gestand er sich ein. »Einmal wollte ich
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