Die weissen Feuer von Hongkong
danke, Herr Konsul.«
»Nichts zu danken! Es ist meine Pflicht, Landsleuten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.« Er klopfte Kolberg gönnerhaft auf die Schulter. »Und - immerhin sind Sie ja doch ein Landsmann.«
Kolberg drehte sich schnell um und ging auf die Tür zu. Wenn ich ihn noch lange ansehe, gerate ich in Versuchung, ihm sein feixendes Gesicht zu zerschlagen. Er hörte, wie der Konsul ihm nachrief: »Alles Gute in Korea, mein Junge! Halten Sie sich tapfer!
*
Luise Lauffer lenkte den Wagen geschickt durch den dichten Abendverkehr. Um diese Zeit schien Hongkong erst so recht zum Leben zu erwachen. An den Häuserfronten flammten in verwirrendem Wechsel die bunten Neonreklamen auf. Die Straßen waren verstopft von Autos und Rikschas, Fußgängern und lärmenden Händlern. Obstverkäufer und Topfflicker schrien um die Wette, Zeitungsjungen liefen durch das Gewimmel und riefen die Schlagzeilen der Titelseiten aus. Am Straßenrand standen Chinesinnen mit Säuglingen, die sie in buntbestickten Tüchern auf dem Rücken trugen. Hin und wieder durchschnitt eine Polizeisirene den Straßenlärm, und ein Streifenwagen flitzte vorbei.
Kolberg war in den Wagen gestiegen, ohne ein Wort zu sagen. Während die Frau durch das abendliche Hongkong fuhr, überlegte sie ein wenig bedauernd, daß der Konsul dem Flieger wahrscheinlich nicht hatte helfen können. Sie fragte ihn erst später danach. Er erklärte kurz: »Er wollte nicht helfen. Er hätte es gekonnt.«
»Aber?« Sie streifte ihn mit einem Seitenblick. Sein Gesicht war verschlossen.
»Er hat mir etwas von Soldatenehre erzählt und von Pflichterfüllung.«
»Und?«
Er zuckte die Schultern. »Nichts. Ich soll in Korea gefälligst meine Pflicht tun. Die ganze Zeit habe ich darauf gelauert, daß er mir versichern würde, der Dank des Vaterlandes sei mir gewiß!«
»Übertreiben Sie da nicht ein bißchen?«
Der Pilot schüttelte den Kopf. »Weiß Gott, aus welcher Kiste sie den ausgepackt haben. Jedenfalls stehe ich genauso da wie zuvor.«
Sie lenkte den Wagen auf einen schmalen Parkstreifen vor dem Gebäude der Bank of China. Sie stellte den Motor ab, schaltete die Lampen aus; dann forderte sie ihn auf: »Erzählen Sie mir das genauer. Es interessiert mich.«
Er schilderte etwas widerstrebend das Gespräch mit dem Konsul. Die Frau rauchte schweigend eine Zigarette. Als Kolberg seine Erzählung beendet hatte, sagte sie leise: »Es tut mir leid für Sie.«
Er bewegte leicht die Hand und versuchte zu lächeln. »Lassen Sie nur. Ich habe Ihnen genug Ungelegenheiten bereitet. Aber um einen Gefallen möchte ich Sie trotzdem noch bitten. Könnten Sie mich bei dem Internat absetzen, in dem mein Junge ist? Es bleibt mir noch Zeit, ihn zu besuchen.«
Sie nickte, aber sie startete den Wagen nicht. Nach einer Weile fragte sie: »Was werden Sie Ihrem Jungen nun sagen?«
»Er weiß von alldem nichts. Ich werde ihm nicht viel erklären müssen, nur daß ich für eine Zeit weit fort bin. Sie kennen das ja.«
»Sie wollen es aufgeben?«
»Was kann ich denn noch tun?«
Luise Lauffer brannte sich eine neue Zigarette an und
blickte versonnen auf das Menschengewimmel an den Rändern der Straße. Dann sagte sie langsam: »Im Grunde haben mich die persönlichen Probleme anderer Menschen nie sehr interessiert. Aber seit ich Ihre Geschichte kenne, habe ich immer das Bedürfnis, Ihnen zu raten und zu helfen. Ich wundere mich selbst darüber. Vielleicht ist es ein Spleen von mir. Jedenfalls will mir nicht in den Kopf, daß Sie etwas tun sollen, wogegen Sie eine so entschiedene Abneigung haben.«
»Abneigung ist gut!« spottete Kolberg. »Es kommt mir wie ein schlechter Witz vor, daß ich übermorgen einen Bomber fliegen soll und daß der Herr Konsul aus Deutschland das auch noch gutheißt.«
»Ein grausamer Witz.«
»Ja. Tödlich grausam. Aber jetzt bin ich am Ende meiner Weisheit. Vielleicht fällt mir morgen wieder etwas ein, vielleicht auch erst in Korea.«
»Dann würde es zu spät sein. Sie sollten vorher handeln.«
»Sagen Sie mir, wie.«
Luise wandte sich ihm zu und sah ihn an. »Erzählten Sie mir nicht einmal, es gäbe in Taipeh eine Frau, die Sie gern heiraten möchten?«
»Ja. Was hat das damit zu tun?«
»Es würde die Zahl der Personen, die nach Deutschland flüchten wollen, auf drei erhöhen«, gab sie gleichmütig zurück.
Kolberg schüttelte den Kopf. »Was nützt es mir, nach Deutschland zu flüchten? Wenn schon der Konsul eine solche Haltung
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