Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
Vom Netzwerk:
Hafen hinab. Der Gedanke an das wimmelnde Durcheinander der Menschen dort unten, an das Gedränge auf den Fähren, die Rufe der Träger und das Tuten der Sirenen faszinierte ihn immer wieder. Er bildete sich ein, Asien habe ihn verjüngt. Auf jeden Fall hatte er hier das Gefühl, endlich wieder an einem Platz zu stehen, der einem Manne von seinen Fähigkeiten gebührte.
    »Bitte«, meldete er sich, ärgerlich über die Störung. Sein Gesicht glättete sich, als er Luise Lauffers Stimme erkannte. Er hob in Gedanken sein Glas, wie um ihr zuzuprosten. Während er ein paar Begrüßungsworte mit ihr wechselte, nippte er ab und zu vorsichtig an dem Vermouth. Als die Frau ihm schließlich ihr Anliegen vortrug, bot er großzügig an: »Aber natürlich, Miß Lauffer! Sie wissen doch, wie gern ich Ihnen einen Gefallen tue. Deutschland und Österreich - wenn wir nicht zusammenhalten ...«
    Er lauschte überrascht, als sie noch ein paar erklärende Worte hinzufügte. Dann fragte er zurück: »Kolberg? Habe ich recht verstanden?«
    Er notierte den Namen. Daneben schrieb er, nach einer erneuten Rückfrage, die Worte »CAT« und »Chennault«. Er runzelte nachdenklich die Stirn dabei. Hier schien sich eine interessante Begegnung anzukündigen. Brautmann wußte von der Existenz des Geschwaders in Taiwan. Es war ihm auch nicht unbekannt, daß gerade diese äußerlich so harmlose, geschickt getarnte Fluggesellschaft eine außerordentlich wichtige Rolle in den Plänen des Pentagons spielte. Er erinnerte sich, in einer vertraulichen Unterredung mit dem amerikanischen Konsul Bedley interessante Einzelheiten darüber gehört zu haben. Er verabschiedete sich äußerst freundlich und bat die Frau, den Flieger zu ihm zu schicken. Er würde sich Zeit für ihn nehmen. Dann legte er auf, nahm den Hörer jedoch sofort wieder in die Hand und rief Bedley an.
    Als der Diener Fred Kolberg in die geräumige Empfangshalle führte, ging Brautmann ihm forsch entgegen und schüttelte seine Hand. Der Pilot betrachtete den dicklichen Diplomaten überrascht. Er hatte einen gutaussehenden, eleganten Mann im besten Alter erwartet. Vor ihm stand ein behäbiger Fünfziger mit spärlichem Haarkranz um die blanke Glatze. Er trug zwar einen aus erlesenem Material geschneiderten Anzug und ein blütenweißes Hemd mit dunkler Krawatte, aber dies alles vermochte nicht, einen eleganten Mann aus ihm zu machen.
    »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen«, sagte Otto Brautmann, bemüht, Freundlichkeit in seine knarrende, kalte Stimme zu legen. Er bot seinem Besucher einen Sessel an, und noch bevor Kolberg sich gesetzt hatte, redete der Konsul weiter. »Es ist ein schönes Gefühl, so weit von der Heimat entfernt einen verloren geglaubten Sohn wiederzusehen, der hier seine Pflicht getan hat.« Er drehte sich zu dem chinesischen Diener um und ordnete an: »Bringen Sie eine Flasche Whisky.«
    »Nun, mein lieber junger Freund«, wandte er sich aufgeräumt wieder an den Flieger, »erzählen Sie mir erst einmal, auf welche Weise Sie hierhergekommen sind und was Sie seit Kriegsende getrieben haben.«
    Der Diener brachte den Whisky. Es war eine der besseren Sorten, die Brautmann von seinem englischen Kollegen bezog. Der Konsul goß ein, während Fred Kolberg erzählte. Der Diplomat hörte interessiert zu, ohne den Piloten zu unterbrechen. Er trank ab und zu, und zuweilen verlor sich sein Blick für eine Zeitlang zwischen den unruhig flackernden Lichtern der Stadt, die unter dem Peak ausgebreitet lag. Dann aber durchforschte er wieder das gebräunte, kantige Gesicht seines Besuchers. Er stellte mit gewissem Wohlwollen fest, daß dessen khakifarbene Uniform gepflegt und ordentlich aussah und daß selbst die Schuhe Zeichen regelmäßiger Pflege aufwiesen. Kein abgerissener Beachcomber, der in Asien gestrandet ist, sondern ein Soldat, stellte er fest, ein Mann mit Ordnungssinn und Disziplin. Es ist sonderbar, dieser Flieger hat nie in einer deutschen Militäreinheit gedient, aber die gute alte preußische Ordnung und Sauberkeit ist trotzdem ein Bestandteil seines Wesens. So etwas setzt sich eben im Charakter einer ganzen Nation fest und vererbt sich über Generationen. Selbst hier, im windigsten Winkel Asiens, wo die abgerissenen Abenteurer fast zum Straßenbild gehören, geht ein preußischer Soldat nicht unter. Brautmann war in seiner bornierten Art stolz auf diesen Piloten mit dem bewegten Lebenslauf. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er selbst die Uniform eines hohen Offiziers getragen

Weitere Kostenlose Bücher