Die weissen Feuer von Hongkong
diesem auch ausgeführt worden war, um das Publikum zu schockieren und zu erheitern.
Einer der Zuschauer, der in die Geschichte eingeweiht gewesen war, machte sich eine Notiz in einem kleinen Taschenbuch. Es war General Arnold, der Befehlshaber der Army Air Force der USA. Um diese Zeit gab es wenige waghalsige Piloten in den Staaten, und der General merkte sich den ehrgeizigen Claire Lee Chennault für Aufgaben vor, die weit in der Zukunft lagen. Vorerst ließ er ihn als Chefausbilder an verschiedene Fliegerschulen gehen, zuletzt nach Hawaii. Er sprach mit ihm, als der Pilot von dort zurückkam und nach Maxwell Field versetzt wurde, der größten taktischen Schule für die neue Luftwaffe der USA. »Sie sind zwar nicht in West Point gewesen, Leutnant«, begann er, »aber ich glaube, Sie haben die Fähigkeit, große Aufgaben zu übernehmen. Was sind Ihre persönlichen Ziele?«
Chennault erwiderte militärisch knapp: »Ich möchte Piloten erziehen, die alles können und alles riskieren, die sich vor nichts fürchten und mit allem fertig werden. Piloten, die auf ihre Art gerissener sein sollen als Gangster, schlau, raffiniert, unschlagbar.«
Arnold nickte. »Wir werden sie brauchen. Ich hörte, daß Sie gewisse Theorien für den Einsatz von Jagdflugzeugen ausgearbeitet haben.«
Das Gespräch währte lange. Chennault informierte den General über seine Theorien. Der General hörte interessiert zu. Dieser Mann mit dem braungebrannten Ledergesicht war nicht nur ein guter Flieger. Er hatte eigene Ideen. Aber was vor allem zählte: er verstand es, eine Einheit zu kommandieren. Das hatte man in den letzten Jahren beobachten können. Als Chennault ging, drückte ihm Arnold fest die Hand und sagte: »Lassen Sie sich durch nichts entmutigen. Weder durch Rückschläge noch dadurch, daß ein paar aufgeblasene West Pointer Sie über die Schulter ansehen. Wir haben viel mit Ihnen vor. Zu gegebener Zeit werden Sie von mir hören.«
Über Maxwell Field kreisten in der folgenden Zeit immer öfter drei Maschinen vom Typ P-12, die waghalsige Kunststückchen ausführten. Das Team bestand aus Claire Lee Chennault, dem Cheftrainer der Schule, und aus den beiden Piloten W. C. MacDonald und Luke Williamson. Man nannte sie das »Fliegende Trapez«. Was sie taten, sah aus wie Kunstflug, aber in Wirklichkeit wurde hier der gruppenweise Einsatz von Jagdflugzeugen gegen angreifende Bomberstaffeln geübt.
General Arnold, der schon Großmama Morris hatte fliegen sehen, war auch 1934 beim Luftfahrttag in Miami dabei. Neben ihm saß ein ziemlich fetter chinesischer Offizier, General Ping Mow, der Chef von Tschiang Kai-scheks neugegründeter Luftstreitmacht, die noch in den Kinderschuhen steckte. Ping Mow zeigte sich außerordentlich beeindruckt von den Vorführungen der Gruppe, die man das »Fliegende Trapez« nannte. Leise sagte Arnold zu ihm: »Ein ausgezeichneter Mann. Er ist der Spezialist, den Sie brauchen.«
Ping Mow führte an diesem Tage nur ein kurzes Gespräch mit Chennault. General Arnold unterhielt sich etwas ausführlicher mit dem Chefausbilder von Maxwell Field. Was danach geschah, wickelte sich ebenso planmäßig wie unauffällig ab. 1935 folgten zuerst Luke Williamson und MacDonald einem Angebot aus China, dort am Aufbau der Luftflotte mitzuhelfen. Chennault verbrachte noch ein Jahr im offiziellen Militärdienst. Bereits in dieser Zeit berief General Arnold ihn mehrmals nach Washington. In einem kleinen Konferenzraum des Pentagons wurde der Grundstein für das gelegt, was Chennault im nächsten Jahrzehnt schaffen sollte: ein ebenso solides wie äußerlich unauffälliges Instrument der militärischen Macht der USA in Asien, wo sich tiefgreifende Veränderungen ankündigten.
Noch wußte niemand, wie sich die Lage dort in ein paar Jahren gestalten würde. Aber es war notwendig, auf lange Sicht zu planen und die Position der USA auszubauen. Eine Arbeit, die taktische Klugheit und militärische Kenntnis in einem Umfange erforderte, wie Claire Lee Chennault sie nach General Arnolds Ansicht besaß. Der Gegner, auf den man zunächst treffen würde, war zweifellos das in seinem Expansionsdrang unberechenbare Japan. Es galt, klüger zu sein und schneller. Niemand erfuhr, was damals im Pentagon besprochen wurde. Aber nach einem Jahrzehnt und später erwies sich die Wichtigkeit des Auftrags, mit dem der siebenundvierzigjährige Claire Lee Chennault damals nach China geschickt worden war.
Er ließ seine Frau und acht Kinder gut versorgt in
Weitere Kostenlose Bücher