Die weissen Feuer von Hongkong
alte, erprobte Rezept als richtig. Solche Leute muß man scharf angehen, einschüchtern, dann parieren sie. Wo kämen wir hin, wenn jeder Pilot entscheiden könnte, wofür er fliegt und wofür nicht? Das ist die Schwäche der Demokratie, die dieser alte Fuchs aus Bonn zusammengebastelt hat, es wird nicht hart genug durchgegriffen. Selbst zu Hause dürfen die Kommunisten heutzutage immer noch verkünden, was sie wollen. Die Lust dazu dürfte ihnen schnell vergehen, wenn mal wieder jede Versammlung von einem Trupp SA-Männern zusammengeschlagen würde.
Er griff nach der Zigarre und brannte sie wieder an. Dann nahm er den Telefonhörer ab und wählte Bedleys Nummer. Der Amerikaner hörte sich die Geschichte ruhig an. Er schien sie nicht so tragisch zu nehmen. Schon wollte Brautmann etwas mehr Schärfe in seine Worte legen, da überraschte Bedley ihn mit der Bemerkung: »Sehr gut, mein Lieber, ausgezeichnet. Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn der Mann bei Ihnen erscheint und sich weigert, freiwillig zu seiner Einheit zurückzugehen, rufen Sie mich an. Den Rest lasse ich dann ganz inoffiziell und unauffällig erledigen. Ich habe die Mittel dazu. Hat mich gefreut, von Ihnen zu hören.«
*
Auf der Piste von Pusan landete eine Staffel nach der anderen. Die B-29 kehrten von ihrem ersten, erfolgreichen Feindflug zurück. Es hatte zwei Ausfälle gegeben, dazu ein paar Flaktreffer, ein halbes Dutzend verwundete Besatzungsmitglieder, das war alles.
Chennault schüttelte Fenner beide Hände, als dieser ihm die Erfüllung des Auftrags meldete. Er nahm ihn mit in den Leitstand und holte aus einer Stahlkiste eine Flasche Bourbon hervor; sie tranken einander zu, Chennault, Fenner und Sabin. Dann erfuhr Fenner, was bisher über Kolbergs Maschine ermittelt worden war. Er erschrak. Damit hatte er nicht gerechnet. Aber Chennault beruhigte ihn: »Keine Angst! Die übrige Besatzung ist auf dem Wege hierher. Und Kolberg selbst ... nun, wir werden sehen, wie weit er kommt.«
»Aber die Maschine ist wohl verloren«, wandte Fenner ein.
Chennault zuckte die Schultern. Vielleicht. Ich habe Befehl nach Hsinchu gegeben, ihn von dort aus anzufliegen.«
»Und?« fragte Fenner.
Chennault goß die Whiskygläser wieder voll. Dabei sagte er ungerührt: »Für den Fall, daß er nicht abdreht, habe ich befohlen, ihn abzuschießen.«
CLAIRE LEE CHENNAULT:
Piloten, gerissener als Gangster ...
Der Junge lag in einem Ufergebüsch, das Gewehr im Anschlag. Der Fluß war einer der vielen unübersichtlichen Wasserläufe tief im Süden von Louisiana, umgeben von verfilztem, feuchtem Wald. Der Junge hieß Claire Lee Chennault, meist wurde er »Lee« gerufen. Lee war ein Name, der in den Staaten Klang hatte. In den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als zwischen den Südstaaten und den Yankees im Norden der Sezessionskrieg tobte, war Robert E. Lee der populärste Armeegeneral des Südens gewesen. Dieser bemerkenswert kluge und geschickte Heerführer lieh den zurückgebliebensten und reaktionärsten Kreisen des Landes sein Talent, den Verteidigern der Sklaverei, gegen die Abraham Lincoln kämpfte.
In den vier Jahren des Bürgerkrieges, in dem die Sklavenhalter des Südens von den fortschrittlichen Kräften besiegt wurden, starben aus den Armeen des Generals Lee etwa 75 000 Soldaten in Gefechten, 60 000 gingen an Epidemien aller Art zugrunde. Danach erst ergab sich Robert E. Lee im Gerichtsgebäude von Appomattox. Der Krieg war verloren, aber die Sklaverei lebte in raffiniert getarnten Formen fort. Robert E. Lee wurde von einflußreichen Freunden unterstützt. Sie woben geschäftig eine Legende um ihn. Man machte ihn zum Präsidenten des Washington College, das später sogar seinen Namen trug. Seine Heimatstadt Arlington am Potomac ist heute ein amerikanisches Nationalheiligtum, dort wurde auch der Nationalfriedhof der Vereinigten Staaten angelegt.
Wenn Claire Lee Chennault nach seiner Herkunft gefragt wurde, vergaß er nie zu erwähnen, daß seine Mutter eine Nichte jenes legendären Verteidigers der Sklaverei gewesen war. Nicht weniger stolz war er auf seine Vorfahren väterlicherseits. Sein Vater war zwar nur Direktor einer Baumwollspinnerei und nebenbei Sheriff von Franklin in Louisiana. Der Großvater aber war zusammen mit anderen Franzosen unter der Führung Lafayettes nach Amerika gekommen, um am Unabhängigkeitskrieg teilzunehmen. Der junge Claire Lee Chennault war also aus einer achtunggebietenden Familie. Dieses
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