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Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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noch mehr auslachen. So krochen sie mit immer noch stark klopfenden Herzen wieder unter ihre Decken, und bevor sie einschliefen, murmelte Claire Lee noch: »Morgen gehen wir auf Schlangen. Aber mit der Hand ...«
    Der Familienrat schaffte es schließlich, den Jungen zu überreden. Er absolvierte einige Semester an der Louisiana State University. Nachdem er eine Absage von der Militärakademie West Point erhalten hatte, debütierte er zunächst in einem kleinen Dorf als Lehrer. Sein Onkel Nelson half ihm, nach der Probezeit das Examen abzulegen. Bei der Feier, die sich daran anschloß, fiel dem jungen Mann ein Mädchen auf, das ein Gedicht vortrug. Nell Thompson gefiel dem Lehrer Chennault auf den ersten Blick. Ein halbes Jahr später heirateten die beiden, und in den nächsten Jahren zogen sie von einem Hinterwäldlerdorf zum anderen, überall dorthin, wo Chennault eine Anstellung bekam. Er war ruhelos. Immer wieder kündigte er und zog weiter.
    In Europa war der erste Weltkrieg ausgebrochen. Während sich in Frankreich die Armeen gegenüberlagen, ergriff Chennault die Chance, das Dreifache seines Lehrergehalts zu verdienen, indem er sich zur Arbeit in der Goodyear-Gummifabrik meldete, die Fesselballons für die europäischen Alliierten herstellte.
    Bald rief man ihn zur Armee, und Claire Lee Chennault ging zu der eben entstehenden Luftflotte, wo für ihn eine langwierige Ausbildung begann, die er noch nicht ganz abgeschlossen hatte, als die Feuer des ersten Weltkrieges bereits ausgebrannt waren. Die Fliegerei aber faszinierte Chennault. Er war ein guter Flieger. Und als die Vereinigten Staaten das Army Air Corps gründeten, hatte er gerade sein Pilotenexamen abgelegt. Man beförderte ihn zum Leutnant, machte ihn zum Ausbilder und schickte ihn an die mexikanische Grenze, nach Fort Bliss.
    Im Jahre 1923 wanderten an George Washingtons Geburtstag Farmer und Viehtreiber, Kaufleute und Schulkinder aus der Umgebung EI Pasos nach Fort Bliss, um die alljährliche Militärparade zu sehen, die eine willkommene Abwechslung im langweiligen Einerlei des Landlebens war. Die Vorführungen der Flieger erweckten naturgemäß das meiste Interesse. Eine der großen Attraktionen war die aus vielen Lautsprechern verkündete Nachricht, daß eine gewisse Großmama Morris darum gebeten hatte, einmal mitfliegen zu dürfen. Sie erschien in einem uralten Ford, und die Menge johlte vor Vergnügen über ihren lächerlichen Hut, der wie ein Blumenarrangement für zehn Dollar aussah. Großmama Morris mußte gestützt werden, als sie zu dem Flugzeug ging. Sie winkte den Zuschauern und wurde in den Sitz gehoben, während der Pilot den Propeller des zweisitzigen Doppeldeckers durchdrehte.
    Doch mit dem Motor schien etwas nicht zu stimmen. Beim ersten Durchdrehen puffte er nur kurz auf, sprang aber nicht an. Der zweite Versuch verlief überraschend. Plötzlich begann die Luftschraube sich zu drehen. Der Pilot fiel vor Schreck auf den Rücken und blieb liegen. Die Maschine jedoch, in der nur die Großmama mit dem verrückten Hut saß, schoß auf die Startbahn und hob sich torkelnd in die Luft.
    Nun schrie die Menge vor Schreck auf. Was sollte aus Großmama Morris in dem führerlosen Flugzeug werden? Einige tausend Augenpaare verfolgten ängstlich, wie, es kurz vor einer Baumreihe kerzengerade hochzog. Nach ein paar hundert Metern schwankte die Maschine bedrohlich und stieß dann im Sturzflug auf die Hangars zu: Aber kurz vor dem Aufschlag hob sie die Nase wieder und kletterte. Offenbar hatte die Oma in ihrer Angst verzweifelt nach dem Steuerknüppel gegriffen. Und nun führte die Maschine die waghalsigsten Kapriolen aus, während die Zuschauer darauf gefaßt waren, daß es über kurz oder lang eine Katastrophe geben mußte. Als dann bei einem Looping auch noch der blumenverzierte Hut von Großmama Morris heruntergesegelt kam, knieten die Gläubigen unter den Zuschauern nieder und begannen zu beten. Jedermann stellte sich klopfenden Herzens vor, wie die arme alte Frau dort oben leiden mußte, bevor die Maschine endlich abstürzte. Es war eines der Schauspiele, die haargenau den Geschmack des Publikums trafen. Man bedauerte die alte Frau, aber man hätte den aufregenden Prozeß bis zu ihrem Absturz um nichts in der Welt verpassen mögen.
    Großmama Morris stürzte jedoch nicht ab. Die Maschine landete vorschriftsmäßig wieder auf dem Rollfeld. Das Ganze war eine Schaustellung gewesen, die auf einen Einfall Claire Lee Chennaults zurückging und von

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