Die weissen Feuer von Hongkong
Augenblick lang nach. Sie war die Witwe Henry Stewarts, eines Piloten, der über Rangoon abgeschossen worden war. Sabin beobachtete kopfschüttelnd, wie sie den Jeep im zweiten Gang anfuhr, sofort in den dritten schaltete und dann das linke Bein aus dem Einstieg streckte und auf den Kotflügel legte. Der Fahrtwind bauschte ihren Rock.
Chennault lag auf einem aus Bambus geflochtenen Ruhebett und las einen Kriminalroman. Er schob Sabin wortlos eine Flasche Whisky hin. Der schenkte sich ein und sagte beiläufig: »Sieht unerhört gesund aus, die Jane. Bist du die Post schon durch?«
Chennault ließ den Roman sinken. »Du kommst wegen der Flugzeuge, wie?«
»Und ob! Was soll ich mit acht Staffeln C-47? Ich habe doch kein Transportunternehmen!«
Der General verzog das Gesicht. Er war guter Laune. Jane machte ihm Spaß, das milde Klima hier machte ihm Spaß, die Meldung vom Kriegsende in Europa und das, was er sonst noch wußte. Er klärte Sabin auf. »Vielleicht sind wir bald ein Transportunternehmen, mein Lieber. Hast du dir mal die Landkarte angesehen?«
»Willst du mir Nachhilfeunterricht in Geographie geben, Pop.?«
»Das nicht«, sagte Chennault und stand auf. »Ich will dir nur klarmachen, daß in ein paar Monaten der Krieg in Asien aus ist. Jedenfalls der gegen die Japaner. Aber danach haben wir hier ein klein wenig aufzupassen. Wetten, daß wir am Tage des Kriegsendes in Asien wieder aufhören zur US Army Air Force zu gehören?«
»Möglich. Und dann?«
»Hör gut zu. Tschiang Kai-schek hat mehr als zwanzig Divisionen gegen die Kommunisten eingesetzt. Der alte Joe StilweIl hat dagegen protestiert. Es wäre ein Irrsinn, nicht alle Kräfte gegen die Japaner einzusetzen. Nun gut, man hat Joe Stilwell von seinem Kommando abgelöst und nach Hause befördert. Aber Tschiang Kai-schek ist trotz der zwanzig Divisionen mit den Kommunisten nicht fertig geworden. Was er bis jetzt nicht geschafft hat, wird er unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Japaner schaffen müssen. Gelingt es ihm dann nicht, kommt er nie zum Ziel. Und weil er allein schwerlich Erfolg haben wird, müssen wir ihm helfen. Begriffen?«
»Wie immer. Aber wozu all die C-47? Das sind Transporter.«
»Wir brauchen Transporter. Ab sofort fliegen wir von Indien her über den Himalaja Material nach China ein, damit es da ist, wenn es gebraucht wird. Die C-47 sind genau die richtigen Maschinen dafür.«
»Und dann?« fragte Sabin.
»Machen wir die Kommunisten fertig. Hier und überall, wo sie sich in Asien zeigen. Sie werden sich zeigen, sobald die Japaner zusammenbrechen, das ist gewiß. Aber Asien gehört uns, mein Lieber, und wenn wir es uns abnehmen lassen, haben wir die erste Schlacht des dritten Weltkrieges schon verloren.«
Draußen hielt der Jeep. Jane erschien mit einem Paket Gefrierfleisch und einer Anzahl Konservenbüchsen. »Du kannst bei uns essen«, bot sie Sabin an. »Unter einer Bedingung: Du taust die Steaks auf.«
Eine Woche später war der »Hump«, wie die Luftbrücke über den Himalaja genannt wurde, in vollem Betrieb. Monatlich wurden hundert Tonnen Material befördert. Das war die Kapazität zu Beginn des Unternehmens, aber sie stieg schnell. Von den Flugplätzen Chabna und Dinjan in Assam ging die Route über die hohen, schroffen Grate des Himalaja, durch Schneestürme und Monsunregen nach Kunming. Chennaults Einheit wechselte wieder einmal ihren Namen. Sie hieß jetzt »Air Transport Commando«. Als Japan kapitulierte und die Offensive Tschiang Kai-scheks gegen die Kommunisten begann, wurde aus der regulären Einheit der US Air Force durch einen Federstrich wieder ein halbziviles Unternehmen. Dieses Geschwader von sogenannten Freiwilligen flog Tschiangs Truppen an die Fronten und bombardierte kommunistische Stützpunkte, bis sich herausstellte, daß Tschiang und seine amerikanischen Ratgeber sich verrechnet hatten. Da flog Chennaults Geschwader die Reste der geschlagenen Armee nach Taiwan, Tschiang Kai-scheks letztem Zufluchtsort, während in China die Volksrevolution siegte.
Für den drahtigen General mit dem Ledergesicht gab es neue Aufgaben. Das Geschwader mußte neu zusammengestellt werden. Es fehlten Piloten. Er holte sie sich aus allen Ecken der Welt, aus Amerika, England, Frankreich; er kämmte die Internierungslager durch. Seine Truppe wurde eine fliegende Fremdenlegion. Und wieder einmal wechselte der Name. In den Prospekten, die Chennault in Taiwan drucken ließ, erschien die Bezeichnung CAT, eine zivile
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