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Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Augen schon geschlossen, die Erschöpfung hatte ihn sofort einschlafen lassen. Auf Zehenspitzen ging Judith um das Bett herum, holte ein Laken, mit dem sie Kolberg behutsam zudeckte, dann zog sie ihre Kleidung aus und legte sich neben ihn.
    Sie konnte nicht schlafen. Lange lauschte sie den tiefen Atemzügen des Mannes. Draußen wurde es hell, der Morgen kam. Hinter dem Meer schob sich eine feuerrote Sonne empor. Fred Kolberg lag noch so, wie er Stunden zuvor eingeschlafen war. Judith erhob sich vorsichtig, kleidete sich an und ordnete ihr Haar. Kolbergs Uniform rollte sie zu einem Päckchen zusammen. Alles, was in den Taschen gewesen war, ordnete sie auf den Nachttisch neben dem Bett. Sie warf noch einen Blick in das Nebenzimmer, nahm die Uniform und verließ lautlos den Raum.
    Bert erwachte, weil die Sonne ihm ins Gesicht schien. Er rieb sich die Augen und blickte sich um. Dies war das Hotel »Eisvogel«. Nebenan mußte Judith sein, die ihn hierhergebracht hatte. Er dachte einen Augenblick über sie nach. Sie wird deine Mutter sein, hatte der Vater erklärt. Nun gut, sagte er sich. Ich werde wieder bei meinem Vater sein, und Judith wird bei uns bleiben. Sie kann nicht so gut deutsch sprechen wie ich. Er lächelte bei dem Gedanken, daß seine Mutter würde in die Schule gehen müssen. Ob sie schon wach war? Er kletterte aus dem Bett, schaute flüchtig durch das Fenster auf die Gasse und tappte schließlich auf bloßen Füßen ins Nebenzimmer. Ein paar Sekunden starrte er verblüfft auf den Mann, der in dem Bett schlief, dann aber erkannte er ihn und sprang mit einem Jubelschrei auf ihn zu.
    Es fiel Kolberg, während er sich mit seinem vor Wiedersehensfreude ausgelassenen Jungen balgte, nicht auf, daß Judith fort war. Später, als er Bert nach ihr fragte, antwortete der Junge nur: »Ach, sie wird unten im Hotel sein, das Frühstück bestellen. Erzähl mir lieber, wo du warst! Judith hat gesagt ....«
    »Du nennst sie einfach Judith?« Kolberg war überrascht. Der Junge hockte neben ihm, das Gesicht noch von der Balgerei gerötet, die Haare zerzaust. Er sah den Vater verwundert an.
    »Darf ich das nicht?«
    Der Flieger lächelte nur. »Gefällt sie dir?«
    »Ja«, sagte der Junge. »Sie war mit mir in Aberdeen und ganz oben in den Hügeln von Aplichau, und abends sind wir hierhergefahren. Da war ich schon ziemlich müde. Sie hat erzählt, daß sie Deutschland auch nicht kennt und daß sie auch gespannt ist auf den Regen; der gefroren vom Himmel fällt, und überhaupt ...«
    Kolberg ließ den Jungen reden. Er hörte zu, wie er alles hervorsprudelte, was seine Gedanken bewegte und seine Vorstellungskraft beflügelte. Es war gut zu wissen, daß Judith und der Junge einander nicht mehr fremd waren, daß sie sich verstanden. Die Möglichkeit, daß dies nicht so sein könnte, war eine von Kolbergs großen Sorgen gewesen, solange er Judith kannte. Manchmal war er sich selbst dabei übermäßig skeptisch vorgekommen, dennoch hatte er immer wieder daran denken müssen.
    »Reisen wir heute noch ab, Paps?« wollte der Junge wissen.
    »Natürlich«, gab Kolberg zurück. »Um zwölf Uhr starten wir.«
    »Und wann sind wir da, wo wir hinwollen?«
    »Du meinst - in Deutschland?«
    »Ja, in Deutschland.«
    »Ein oder zwei Tage später. Genau weiß ich es nicht.«
    Bert überlegte. Dann fragte er: »Fliegst du in Deutschland wieder?«
    Kolberg bewegte leicht den Kopf. »Warum fragst du?«
    »Weil Judith auch gesagt hat, es wäre besser, wenn du nicht mehr fliegen müßtest.«
    Der Vater strich ihm das widerspenstige Haar ein wenig aus der Stirn. Der Junge sah ihn mit seinen großen, dunklen Augen an, seltsam ernst.
    »Weißt du«, erklärte der Vater, »ich werde der glücklichste Mensch auf der Welt sein, wenn ich nicht mehr fliegen muß, Bert. Als ich so alt war wie du, wollte ich immer fliegen. Da habe ich in meinem Atlas auf allen fünf Erdteilen nur nach Flughäfen gesucht. Ich wollte Passagiere über das Meer fliegen, weit fort, überallhin. Man hat mich das nicht tun lassen. Aber fliegen ließ man mich. Ich wurde sogar nach Japan geschickt, dorthin, wo deine Mutter zu Hause war. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich dahinterkam, daß meine Träume sich trotzdem nicht erfüllt hatten. Wenn ich es mir richtig überlege, habe ich seit meiner Pilotenprüfung immer nur das tun müssen, was ich eigentlich nicht tun wollte. Aber das ist jetzt vorbei. Weißt du, wo ich gestern abend noch war?«
    Der Junge schüttelte den

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