Die weissen Feuer von Hongkong
Kopf.
»In Korea«, fuhr Kolberg fort. »Auf einem Flugplatz, in einer B-29 mit sechs Tonnen Bomben. Jetzt bin ich hier, und übermorgen um diese Zeit werden wir in Europa sein, in
Deutschland.«
Der Junge wollte noch eine Frage stellen, aber ein Geräusch an der Tür lenkte ihn ab. Judith kam ins Zimmer. Sie trug einen kleinen Koffer, den sie verschmitzt lächelnd abstellte. Bert sprang ihr entgegen, und sie forderte ihn auf: »Schnell, lauf ins Bad und wasch dich! Wir wollen frühstücken.«
Kolberg erhob sich. Er küßte Judith und sagte etwas verlegen: »Ich weiß gar nicht mehr, wie das heute nacht war - ganz plötzlich muß ich eingeschlafen sein.«
»Du warst so todmüde, wie ich dich noch nie gesehen habe.« Sie öffnete den Koffer, und Kolberg staunte, als sie einen leichten, hellen Anzug, ein paar Hemden, Wäsche und andere notwendige Kleinigkeiten für ihn herausholte.
»Deine Uniform habe ich bei einem Trödler versetzt. Den Verlust wirst du wohl kaum bedauern.« Sie lächelte, als er sie an sich zog und ihr leise ins Ohr sagte: »Du bist die umsichtigste Frau der Welt. Ich verstehe nicht, wie ich es fertigbringen konnte, dich erst so spät zu entdecken.« Dann machte sie sich von ihm frei und deutete auf den Nachttisch.
»Ich habe deine Pistole und alles andere, was in deinen Taschen war, da hingelegt. Nun könntest du eigentlich ins Bad gehen und zusehen, daß Bert sich beeilt.«
Ein Blick auf die Uhr zeigte, daß sie nicht mehr viel Zeit hatten, wenn sie in Ruhe frühstücken wollten, ehe sie nach Kai Tak zum Flugplatz fuhren. Er nahm die Pistole zur Hand und betrachtete sie eine Weile nachdenklich. Sie war das letzte Überbleibsel aus der Zeit, die nun hinter ihm lag. Sollte er sie wegwerfen? Schließlich steckte er sie in die Tasche des Jacketts, das Judith auf dem Bett ausgebreitet hatte. Im Hinausgehen rief er: »Bestell etwas zu essen, ich habe Hunger wie einer, der tagelang fasten mußte!«
*
Gegen Mittag war zu spüren, daß dies wohl einer der heißesten Tage des Jahres werden würde. Die Sonne glühte erbarmungslos, und die gewohnte Seebrise, die sonst ein wenig Frische brachte, blieb aus. Das Thermometer kletterte auf vierzig Grad Celsius zu. Über den Betonpisten von Kai Tak flimmerte die Luft. Dennoch war auf dem Flugplatz ein ständiges Kommen und Gehen.
Die Halle, in der sich die Passagiere aufhielten, bevor sie den Flugsteig betraten, war angenehm kühl. Eine leistungsfähige Klimaanlage sorgte dafür, daß die Temperatur niedrig blieb. Auch die Abfertigungsräume waren wohltemperiert. Der Paßbeamte, der eine halbe Stunde vor dem Start des PAA-Klippers nach Europa mit seiner Arbeit begann, merkte so gut wie nichts von der sengenden Hitze, die draußen herrschte. Er betrachtete die von der Anfahrt verschwitzt und verstaubt aussehenden Reisenden vor seinem Fenster mit einem gewissen Mitleid. Ja, Hongkong hatte seine Hundstage! Im Landesinneren war es um diese Jahreszeit noch unerträglicher, aber selbst hier, unmittelbar am Meer, hatte der Hochsommer seine Tücken.
Ein Paß nach dem anderen wurde ihm gereicht. Der Mann hinter der Glasscheibe prüfte die Dokumente und gab sie an einen Mitarbeiter weiter, der ihnen einen Stempel aufdrückte und sie dann auf ein kleines Fließband legte, das sie zur Zollabfertigung beförderte, wo der Inhaber sie nach ziemlich oberflächlicher Durchsicht seines Gepäcks zusammen mit dem Platzticket zurückbekam. Als Fred Kolberg die beiden Pässe vorlegte und auf die Eintragung für Bert verwies, nickte der Beamte zustimmend. Dann warf er einen Blick auf eine Papptafel, die auf dem Abfertigungstisch lag. Dort waren sieben Paßnummern vermerkt, die heute gesucht wurden; diese beiden Pässe hier waren darunter.
»Sie heißen Kolberg?« fragte der Beamte. Der Pilot bejahte und erkundigte sich mißtrauisch: »Ist etwas nicht in Ordnung?« Der Beamte machte sich eine Notiz. Gleichzeitig drückte er auf einen Klingelknopf. In einem Zimmer nebenan
schlug eine Glocke an. Ein schläfriger Polizist erhob sich von einer Sitzbank, rückte das Koppel zurecht und setzte die Mütze auf.
Der Beamte antwortete Kolberg: »Ich muß sie bitten, eine Kleinigkeit nachzuholen, Mister. Vor zwei Tagen ist eine neue Verordnung in Kraft getreten. Danach muß das Visum eine Registriernummer haben. Ihr Konsul wird sie sofort nachtragen, wenn Sie ihm den Paß vorlegen.«
Kolberg sah Judith an, dann sagte er: »Das ist unmöglich. Wie kann ich eine halbe Stunde vor dem
Weitere Kostenlose Bücher