Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman
telefoniert. Die Leiche wurde bereits am vergangenen Freitag freigegeben. Heute ist die Beisetzung.«
»Scheiße.«
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte Wiechert.
»Wir können keinesfalls bei der Beerdigung auflaufen«, sagte Köster bestimmt. »Das geht gar nicht. Lieber lassen wir den Leichnam gleich morgen wieder exhumieren. Hast du mal nachgefragt, Louis, wann genau sie beigesetzt wird? Vielleicht ist ja noch Zeit, eben in den Sarg zu schauen.«
Chris antwortete an Lydias Stelle. »Zu spät. Ich habe gerade noch im Beerdigungsinstitut angerufen, vor einer Stunde hat der Gottesdienst begonnen.«
»Dann ist sie vielleicht noch nicht unter der Erde«, sagte Meier.
»Du spinnst wohl«, zischte Wiechert.
»Wir müssen wissen, wer die Tote ist, das hat ja wohl Vorrang«, entgegnete Meier. »Sei nicht so zimperlich!«
»Ich bin nicht zimperlich!«, herrschte Wiechert ihn an. »Aber du bist ein herzloses Arschloch.«
»Zicke!«
»Stopp!«, fuhr Lydia dazwischen. »Thema beendet. Wir werden nicht in die Beerdigung platzen, aber ich habe veranlasst, dass das Grab nicht sofort zugeschüttet wird. Wir können uns den Leichnam im Laufe des Tages ansehen. Die Lahnstein wollte zudem die Fotos noch mal genau unter die Lupe nehmen, die sie von den Verletzungen gemacht hat.« Lydia wandte sich an Meier und Schmiedel. »Wie sieht es bei euch aus?«
»Die Fahndung nach Schwarzbach und seiner Tochter läuft, das wisst ihr ja«, sagte Meier. »Schwarzbachs Mutter lebt in Hamburg, ihr Haus wird observiert, das Telefon überwacht, bisher ohne Ergebnis. Seine Firma wird ebenfalls observiert, die Angestellten sind befragt worden, doch die wissen von nichts. Einem hat Schwarzbach wohl erzählt, dass er sich ein paar Tage freinimmt. Sonst nichts. Ein Ferienhaus oder etwas Ähnliches scheint es nicht zu geben.«
»Wäre ja auch zu schön gewesen«, sagte Wirtz.
»Und was ist mit dir, Hackmann? Irgendwas Neues?«
Hackmann zuckte mit den Schultern. Chris fiel auf, wie schweigsam er heute Morgen war.
»Wie man’s nimmt«, antwortete er. »Melanie Schwarzbach hat vor Jahren schon einmal einen Suizidversuch unternommen, kurz nach dem Tod ihrer älteren Tochter. Nachdem Leonie geboren war, schien es ihr besser zu gehen. Ach ja, die Lahnstein hat noch was entdeckt.« Er zog ein Blatt hervor. »Die Frau hatte eine Entbindung, bei der es irgendwelche Komplikationen gegeben haben muss. Fragt mich nicht nach Details. Jedenfalls konnte sie nach dieser Entbindung nicht mehr schwanger werden.«
Meier schlug mit der Hand auf den Tisch. »Das muss bei der Geburt der ersten Tochter passiert sein. Deshalb war Leonie adoptiert.«
»Immerhin ein Rätsel gelöst«, seufzte Köster.
Lydia nickte zustimmend. »Und im Zusammenhang mit Melanie Schwarzbachs Tod? Gibt es weitere Hinweise darauf, dass es kein Suizid gewesen ist?«
Hackmann hob die Hände. »Weiterhin nichts Eindeutiges. Auf den Tablettenpackungen waren nur ihre Fingerabdrücke, und zwar so, wie man es erwarten würde, wenn sie die Tabletten selbst genommen hat.«
»Vielleicht bestand Schwarzbachs Tatbeteiligung darin, dass er nicht rechtzeitig Hilfe gerufen hat«, meinte Köster.
»Und das Fenster im Bad?«, warf Hackmann ein. »Wir haben Dezember, da vergisst man nicht, ein Fenster zu schließen.«
»Womöglich hat sie selbst versucht herauszuklettern«, sagte Schmiedel. »Sie hat es sich anders überlegt, konnte aber aus irgendeinem Grund die Tür nicht öffnen. Deswegen hat sie es mit dem Fenster versucht.«
Hackmann verschränkte die Arme. »Sie lag vor dem Waschbecken. Das Fenster ist über der Badewanne. Das passt nicht.«
Lydia warf einen Blick in die Runde. »Sonst noch etwas?«
Wirtz räusperte sich. »Ich sollte doch überprüfen, ob Toni im Netz unterwegs war, in Chatrooms, bei Facebook oder so. Fehlanzeige. Vielleicht war sie einfach noch ein, zwei Jahre zu jung dafür. Eine Lehrerin sagte, dass es bei den meisten in der fünften oder sechsten Klasse losgeht. Das Gleiche gilt übrigens für ihre Freundin Nora und, soweit ich das ermitteln konnte, für Leonie Schwarzbach. Allerdings gibt es das Profil einer Leonie Schwarz aus Düsseldorf bei Facebook. Angeblich ist sie vierzehn, aber mir ist daran irgendwas suspekt. Die ganze Seite wirkt unecht.«
»Du meinst, es könnte ein gefälschtes Profil von Leonie Schwarzbach sein?«, fragte Schmiedel.
»Es wäre möglich. Aber es ist nur ein vager Verdacht.«
»Steht denn da was bei dieser Leonie Schwarz, das für uns
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