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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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ab. Hoffentlich missverstand er ihr Angebot nicht. Das Letzte, was sie wollte, war eine Neuauflage von Freitagabend.
    Einen Augenblick lang sah er sie schweigend an, dann nickte er wortlos und nahm die Flasche aus der Schublade. »Auf geht’s.«
    Zehn Minuten später schloss Lydia die Wohnungstür auf. Sie holte zwei Gläser aus der Küche, ließ Salomon einschenken und legte eine Platte auf. Dann setzte sie sich im Schneidersitz auf das Sofa. Salomon ließ sich neben ihr nieder. Eine Weile lauschten sie schweigend der Musik.
    »Sonja möchte, dass ich mit ihr und ihrer Familie Weihnachten verbringe«, sagte Salomon unvermittelt. »Aber ich glaube, das würde ich nicht durchstehen.«
    Lydia nippte an ihrem Glas. »Köster möchte, dass ich mit ihm und seinem Hund Heiligabend Lasagne esse, und das stehe ich keinesfalls durch.«
    »Köster? Echt?« Salomon blickte sie überrascht an. »Ich wusste gar nicht, dass ihr euch so nahesteht.«
    Lydia schnitt eine Grimasse. »Ich auch nicht.«
    Er schaute in sein leeres Glas. »Erwartet dich an Weihnachten nicht deine Familie?«
    »Mit meiner Mutter habe ich seit Jahren nicht gesprochen«, sagte Lydia. »Sonst gibt es niemanden. Und das ist mir ganz recht so.« Sie erschrak über ihre Offenheit. Nicht einmal Köster gegenüber hatte sie je ihre Mutter erwähnt. Vielleicht lag es am Whisky, von dem Salomon gerade nachschenkte, vielleicht an dem nervenaufreibenden Fall oder an der kitschigen Weihnachtsbeleuchtung auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die bis in ihr Wohnzimmer blinkte.
    »Ich hätte einen Vorschlag.« Salomon nahm einen großen Schluck, Lydia hatte das ungute Gefühl, dass er sich Mut antrank. »Wenn ich mich gegen einen Heile-Welt-Abend im Kreis von Sonjas Familie entscheide und du keine Lust auf Kösters Lasagne hast, könnten wir ja gemeinsam mit unserem Freund Johnnie« – er tippte auf die halbleere Flasche – »und ein paar Filmen die Zeit totschlagen.«
    »Hm.« Lydia setzte das Glas an die Lippen, um nicht sofort antworten zu müssen. Sie war sich nicht sicher, was sie von Salomons Vorschlag halten sollte. Vor allem begriff sie nicht recht, was er sich dabei dachte. Sollte sie als Vorwand herhalten, sodass er der familiären Enge mit Sonja entfliehen konnte? Oder stellte sie eine nette Abwechslung dar? Träumte er am Ende sogar davon, gleichzeitig mit ihr und Sonja eine Beziehung zu haben?
    Salomon beugte sich vor und stellte sein Glas etwas zu abrupt auf dem Fußboden ab. »War nur so eine Idee. Vermutlich ist sie ziemlich blöd«, sagte er. »Ich sollte langsam aufbrechen.«
    Lydia presste die Lippen zusammen. Wenn er jetzt ging, würde die Unruhe wieder über sie hereinbrechen und sie hinaustreiben in die Kälte, in fremde Arme, in denen sie Vergessen suchte. »Du kannst gern auf dem Sofa schlafen. Und über deine Idee denke ich nach. Wie ist denn deine Lasagne?«
    Er sah sie an und grinste. »Hervorragend. Ich brauche nur eine Nummer in mein Handy tippen, und eine halbe Stunde später steht sie vor der Tür.«
    »Das dachte ich mir«, sagte Lydia mit einem Lächeln. »Wenn du schon nicht kochen kannst, dann sorg wenigstens dafür, dass ich nicht verdurste.« Sie hielt ihm das Glas hin.
    »Gern.« Er schenkte nach.
    »Zumindest etwas, wozu du zu gebrauchen bist, Salomon.«
    »Es freut mich, wenn ich zu Diensten sein kann, Louis.«

24
    Donnerstag, 13. Dezember
    Es schneite seit den frühen Morgenstunden. Inzwischen hatte sich eine dünne weiße Decke über die Stadt gelegt wie ein eisiges Leichentuch. Chris sah zu, wie Lydia sich den Schnee vom Parka klopfte, während der Paternoster in den zweiten Stock ruckelte. Er hatte tatsächlich die Nacht auf ihrem Sofa verbracht und wider Erwarten tief und fest geschlafen. Während er Lydia durch die Glastür in den Trakt des KK 11 folgte, ertappte er sich dabei, wie er sie zum wiederholten Mal mit Sonja verglich. Es war ihm ein Rätsel, wie er zwei so unterschiedliche Frauen auf so unterschiedliche Weise anziehend finden konnte. Gestern Abend hatte er mehr als einmal an den letzten Freitag denken müssen, und die Erinnerung hatte ihn zu seiner Überraschung erregt. Glücklicherweise hatte Lydia offenbar nichts von seinem Gefühlschaos mitbekommen. Jedenfalls hatte er beim Aufwachen spontan beschlossen, Sonjas Einladung anzunehmen. Es war an der Zeit aufzuhören, vor sich selbst davonzulaufen.
    Als sie im Büro ankamen, schaltete Lydia den Rechner ein und sah auf die Uhr. »Es sind noch zwanzig Minuten

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