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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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Dienstwagen vermutet hatte.
    Sie folgte Wirtz durch die Glastür in eine Empfangshalle aus Marmor und cremefarbenem Leder. Gigantische Schwarz-Weiß-Fotos schmückten die Wände, ästhetische halbnackte Frauenkörper, die so perfekt aussahen, dass Ruth eine ohnmächtige Wut in sich aufsteigen spürte. Was war das hier, eine Schönheitsklinik? Eine Modelagentur? Welche Frau fühlte sich an einem Ort wohl, wo sie ständig mit ihrer eigenen Unzulänglichkeit konfrontiert wurde? Ärgerlich ging Ruth zur Empfangstheke, wo eine Blondine sie anlächelte, die nicht minder vollkommen schien als ihre Geschlechtsgenossinnen auf den Fotos. Ein Schildchen an ihrer Bluse wies sie als Jessica aus. Kein Nachname, keine Funktion, einfach nur Jessica. Ruth stellte sich vor, dass diese Jessica in dunkle Geschäfte verwickelt war, illegale Adoptionen, Menschenhandel. Was für ein Triumph wäre es, diesen Männertraum in Handschellen aus dem Gebäude zu führen!
    Sie zog ihren Ausweis hervor, Wirtz folgte ihrem Beispiel. Wie gut, dass sie mit ihm hier war und nicht mit Thomas Hackmann. Der hätte Jessica bestimmt mit den Augen ausgezogen und Ruth nachher im Auto die vielen Vorzüge der jungen Frau aufgezählt.
    Wirtz übernahm die Führung. »Guten Tag. Wirtz ist mein Name.« Er lächelte breit. »Das ist meine Kollegin Ruth Wiechert. Wir sind von der Kripo. Wir bräuchten Einsicht in Ihre Patientenunterlagen.«
    Ruth registrierte, wie geschickt er versuchte, die Klippen zu umschiffen. Sie hatten keinen Durchsuchungsbeschluss bekommen. Für den Ermittlungsrichter vom Amtsgericht Wermelskirchen waren die Anhaltspunkte für eine Straftat zu vage. Zudem hatten sie nicht einmal konkrete Hinweise darauf, dass Antonia Bruckmanns Herkunft etwas mit ihrem Tod zu tun hatte. Und für mögliche illegale Adoptionen im Kreis Wermelskirchen war die Mordkommission der Kripo Düsseldorf definitiv nicht zuständig.
    Jessica lächelte freundlich, doch sie schien nicht so dumm, wie sie aussah. »Haben Sie eine richterliche Verfügung, die es Ihnen erlaubt, die Unterlagen einzusehen?«
    »Nein«, sagte Wirtz und blickte zerknirscht drein. »Der Antrag läuft noch. Gefahr im Verzug, Sie verstehen. Ein kleines Mädchen ist verschwunden, und es gibt Hinweise darauf, dass ihr Verschwinden im Zusammenhang mit ihrer Geburt vor zehn Jahren hier in der Klinik steht.«
    Jessica riss die Augen auf. »Tatsächlich?«
    Wirtz beugte sich vor. »Ich bitte Sie! Wir brauchen nur diese eine Akte.«
    »Tut mir leid. Das darf ich nicht.« Sie lächelte immer noch. »Aber wenn Sie möchten, kann ich fragen, ob der Klinikleiter zu sprechen ist. Vielleicht kann er Ihnen weiterhelfen.«
    »Oh ja, bitte.«
    Jessica griff nach dem Telefonhörer und drehte sich von ihnen weg. Das hatten sie eigentlich nicht beabsichtigt. Wenn über die Klinik tatsächlich illegale Adoptionen abgewickelt wurden, musste der Klinikleiter Bescheid wissen. Von ihm würden sie vermutlich nichts erfahren.
    Jessica legte auf. »Professor Doktor Nassauer ist leider nicht im Haus. Aber Doktor Wesseling kommt gleich herunter und wird Ihnen Ihre Fragen so gut es geht beantworten. Wenn Sie bitte dort drüben warten würden.« Sie deutete mit ihrer perfekt manikürten Hand auf eine Sitzgruppe aus hellem Leder vor der großen Glasfront.
    Ingo bedankte sich, und sie schlenderten zu den Ledersofas hinüber.
    »Glaubst du, wir finden was raus?«, fragte Ruth.
    Wirtz zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich fürchte allerdings, dass man uns freiwillig keine Akten zeigen wird. Vielleicht ist unser Besuch hier sogar kontraproduktiv. Jetzt sind sie gewarnt und können alles verschwinden lassen. Wenn wir beim nächsten Mal den Durchsuchungsbeschluss mitbringen, sind die Akten vermutlich längst vernichtet.«
    »Mal den Teufel nicht an die Wand.« Ruth sah alle Hoffnung schwinden, die vollkommene Jessica doch noch festnehmen zu können.
    Bevor Ingo Wirtz antworten konnte, kam ein Mann im Arztkittel auf sie zu. Er hatte gewelltes braunes Haar, blaue Augen und ein verschmitztes Lausbubengesicht. Ruth sah gleich, dass er zu jung war, als dass er zum Zeitpunkt von Antonias Geburt schon in der Klinik gearbeitet hätte. Sie fluchte innerlich. Wahrscheinlich hatte die Klinikleitung den Mann genau aus diesem Grund vorgeschickt.
    »Guten Tag. Mein Name ist Dr. Wesseling.« Er schüttelte ihnen beiden die Hand. »Ich leite die Entbindungsabteilung. Sie sind von der Kriminalpolizei?«
    »Ja«, sagte Ruth, die sich nicht wieder

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