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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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Bank und der Rückenlehne gleiten, das Gesicht von ihm abgewandt. Gerade noch rechtzeitig. Der Jogger erreichte die Kreuzung und begaffte neugierig das Auto. Kurz trafen sich ihre Blicke, dann rannte der Mann weiter.
    Olaf atmete tief ein und aus. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er betete, dass sie die Grenze bald erreichten. In den Niederlanden konnte er dann wieder auf normalen Straßen fahren.
    »Du kannst hochkommen«, sagte er zu Leonie.
    Stumm tauchte sie wieder auf. Sie sah verschreckt aus, kreidebleich. Und sie schien eingeschnappt zu sein.
    »Es tut mir leid, dass ich dich so angebrüllt habe«, sagte er, bemüht um einen besänftigenden Tonfall. »Aber es ist wichtig, dass du genau das tust, was ich dir sage. Ich erkläre dir später, was los ist.«
    Sie verschränkte die Arme. »Das ist nicht nötig. Ich weiß, was los ist.«
    Er erschrak. »Wirklich?«
    »Ich bin doch nicht blöd.«
    Olaf Schwarzbachs Herz hämmerte, er verspürte Erleichterung und Angst zugleich. Er hatte sich schon die ganze Zeit gewundert, dass Leonie nicht ein einziges Mal nach ihrer Mutter gefragt hatte; dass sie das alles fast klaglos über sich ergehen ließ. Andererseits wirkte sie nicht traurig. Vermutlich war sie zu geschockt, um Trauer zu empfinden. Das war alles zu viel für sie, schließlich war sie noch ein Kind. Er suchte nach den passenden Worten.
    »Das tut mir alles so leid, Liebes. Ich – ich wollte nur, dass es uns gut geht.«
    Sie sagte nichts, musterte ihre Schuhspitzen.
    »Deine Mama, sie hat dich über alles geliebt, Kleines. Das musst du mir glauben. Lass dir von niemandem etwas anderes einreden.«
    Leonie schaute fragend hoch.
    »Es ist meine Schuld, dass sie tot ist«, sagte er leise.
    Leonie riss die Augen auf. »Tot?«
    Ein heißer Schreck durchfuhr ihn. »Oh, mein Gott, Kind! Du hast doch gesagt, du wüsstest es. Ich dachte …« Er versuchte, über ihren Kopf zu streichen, doch sie rutschte in die andere Ecke. Jetzt hatte er es ausgesprochen, vielleicht war es besser so. »Ja, deine Mami ist tot, Liebes. Sie ist eingeschlafen, einfach so. Aber du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin bei dir. Ich werde dich nie verlassen.«
    Leonie sah ihn an. Etwas in ihrem Blick war fremd, nein, feindselig.
    »Bitte, vertrau mir, mein Engel«, beschwor Olaf sie. »Ich bin doch dein Vater. Ich werde dich beschützen. Egal was kommt.«
    Sie starrte ihn immer noch wortlos an.
    Etwas Kaltes, Hartes legte sich um sein Herz.
    »Leonie? Sag was, Kind!«
    »Ich hasse dich!« Sie kniff die Augen zusammen, ihre Stimme war voller Verachtung. »Ich hasse dich! Du bist nicht mein Vater!«
    Sie fummelte am Türgriff herum. Es gelang ihr nicht auf Anhieb, die Tür zu öffnen, doch Olaf reagierte nicht. Ihre Worte hatten ihn härter getroffen als ein Faustschlag. Wie benommen saß er da, sah zu, wie sie an dem Hebel zerrte. Leonie, das Auto, der Wald hinter der Wagenscheibe, alles verschwamm zu einer graubraunen Masse, drehte sich, saugte ihn ein wie ein Strudel. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, wollte den Arm ausstrecken und nach seiner Tochter greifen, doch der Arm gehorchte ihm nicht.
    Die Tür schwang auf, Leonie sprang aus dem Wagen und rannte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Erst als ihre Gestalt hinter der Biegung verschwand, löste sich Olafs Erstarrung. Er stürzte aus dem Wagen und hechtete ihr hinterher.
    »Leonie!«, rief er verzweifelt. »Leonie! Komm zurück! Komm sofort zurück!«
    Er erreichte die Biegung. Vor ihm erstreckte sich der Waldweg. Eine Fahrspur, von einer Grasnarbe geteilt, verlor sich in einiger Entfernung hinter einer erneuten Biegung. Ein paar schmutzige Schneereste. Dichte Büsche rechts und links, die meisten bereits kahl. Dahinter Bäume, struppige Kiefern und knorrige Laubbäume, an denen sich kraftlose braune Blätter im Wind hin- und herbewegten. Im Laub zu seiner Linken raschelte es, eine Amsel huschte über den Weg. Von Leonie keine Spur.
    Chris Salomon schaltete das Aufnahmegerät an.
    »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich unser Gespräch aufzeichne, Herr Bruckmann?«
    Michael Bruckmann schüttelte den Kopf.
    »Nein.« Er war von sich aus gekommen, hatte erklärt, dass er eine wichtige Aussage zu machen habe. Lydia und Chris hatten ihn daraufhin ins Vernehmungszimmer geführt. Jetzt blickte Chris erwartungsvoll zu Lydia, die kerzengerade auf dem Stuhl links von ihm saß. Die Anspannung war mit Händen zu greifen.
    »Herr Bruckmann, Sie wollten eine Aussage machen«,

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