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Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman

Titel: Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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Aber sie meinten, Jan wäre noch zu jung, um auf uns aufzupassen. Ich glaube, sie hatten Angst, dass er einen Unfall baut. Deshalb sind Jan und ich allein gefahren.«
    »Habt ihr etwas herausgefunden?«
    Nora schüttelte den Kopf. »Die wollten uns nichts sagen.«
    »Warum hat Toni denn nicht mit ihren Eltern gesprochen? Sie hätte sie doch fragen können?«
    »Quatsch!«, widersprach Nora heftig. »Sie hatten sie doch die ganze Zeit belogen. Toni war sicher, dass sie ihr nicht die Wahrheit sagen würden.«
    »Toni war also fest davon überzeugt, dass Leonie ihre Schwester ist«, sagte Salomon.
    »Ja. Sie hat von nichts anderem mehr geredet. Immer nur Leonie, Leonie. Deshalb hat sie auch alles gemacht, was Leonie vorgeschlagen hat. Leonie hat gesagt, dass es cool ist, einen Lippenstift zu klauen, also hat Toni einen Lippenstift geklaut.«
    »Warst du eifersüchtig?«
    »Nein! Ich fand nur blöd, wie Toni sich hat einwickeln lassen. Sie hat überhaupt nicht gemerkt, wie Leonie sie benutzt.«
    »Und dann kam es zum Streit zwischen euch beiden.«
    »Nein.«
    »Sicher?«
    »Ja. Irgendwann hat Toni nämlich doch gemerkt, dass Leonie eine blöde Kuh ist.« Nora blickte Salomon trotzig an.
    »Wie das?«
    »Sie hat uns erpresst.«
    »Erpresst?«, rief Kerstin Diercke. »Du lieber Himmel! Wie denn?«
    »Sie hat gedroht, dass sie unseren Eltern und unseren Lehrern sagt, dass wir geklaut haben. Angeblich hat sie sogar Fotos mit ihrem Handy gemacht. Ich dachte, sie macht sich nur wichtig. Aber Toni hatte richtig Angst. Weil ihr Vater doch so streng ist.«
    »Was wollte sie von euch?«
    Nora weinte leise. »Ich musste ihr meinen Lieblingspulli geben. Und von Toni wollte sie eine Jacke und eine CD.«
    »Hat sie euch noch öfter erpresst?«
    Nora schüttelte heftig den Kopf.
    »Hast du von ihr gehört, seit – seit Toni tot ist?«
    Wieder schüttelte Nora den Kopf.
    »Möchtest du uns sonst noch etwas sagen?«, fragte Salomon behutsam.
    Lydia biss sich beinahe die Zunge ab, um nicht mit einer bissigen Bemerkung herauszuplatzen. Woher nahm dieser Mann so viel Verständnis?
    Nora sah ihn nicht an, als sie antwortete. »Sie hat komische Dinge gemacht.«
    »Komische Dinge?«
    »Sie hat so getan, als wäre sie krank, um ihre Mutter zu quälen.«
    »Wie bitte?«
    Jetzt sah Nora zu ihm hoch. »Sie hat gesagt, ihre Mutter macht alles für sie, wenn sie krank ist. Wenn sie stöhnt, dass sie Kopfschmerzen hat, braucht sie nicht in die Schule zu gehen oder ihr Zimmer aufzuräumen. Dann kriegt sie ihr Essen ans Bett gebracht und jeden Wunsch erfüllt. Ihre große Schwester ist auch krank gewesen, so krank, dass sie gestorben ist. Deshalb hat ihre Mutter totale Angst, dass sie auch stirbt. Manchmal hat sie sogar extra was gemacht, damit sie krank wird.«
    »Was denn?«, fragte Lydia. Sie hatte das sichere Gefühl, die Antwort bereits zu kennen.
    »Sie hat Salz geschluckt, damit ihr übel wird und sie erbrechen muss.«
    Salomon sah zu Lydia hoch, und sie nickte.
    »Das reicht für den Augenblick, Nora. Ich danke dir, dass du so offen warst.« Er stand auf.
    Lydia nahm das Foto von Kerstin Diercke entgegen und steckte es zurück in den Umschlag. An der Wohnungstür blieben sie stehen.
    »Ich hatte keine Ahnung«, sagte Kerstin Diercke leise.
    »Ich weiß«, antwortete Salomon.
    Sie gingen zurück zum Wagen.
    »Antonia Bruckmann hatte eine gereizte Magenschleimhaut«, sagte Lydia, als sie hinter dem Steuer saß.
    »Und Nicole Bruckmann hat sie dabei beobachtet, wie sie Salz essen wollte«, fügte Salomon hinzu.
    »Vielleicht war es gar nicht ihre eigene Tochter, die sie erwischt hat.«
    »Oder der Einfluss dieser Leonie war so groß, dass sie es ihr gleichtun wollte.«
    Lydia kam eine andere Idee. »Es könnte auch Teil der Erpressung gewesen sein.«
    »Scheiße, stimmt. Wir müssen dieses Mädchen finden. Schwarzbach und seine Tochter können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.« Salomon blickte auf die Uhr. »Verdammt. Schon gleich acht.«
    »Hast du noch was vor?«
    »Eigentlich schon.« Er starrte auf seine Fingerspitzen. Seine Verlegenheit hatte einen gewissen Charme.
    »Soll ich dich irgendwo absetzen?«
    Er sah sie an. »Wenn es dir nichts ausmacht.«
    Eine halbe Stunde später lenkte Lydia den Toyota auf den Parkplatz des Präsidiums. Sie wollte noch den Bericht über die Befragungen schreiben und dann ebenfalls Feierabend machen. Sie hatte Salomon vor einem japanischen Restaurant in der Innenstadt abgesetzt und es sich verkniffen,

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