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Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gris
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Personalentwicklung
     nennen sollte. Was bleibt, sind viele Trainings und Coachings |46| , die nur sein zwiespältiges Selbstbild verstärken werden. Allein die hohe Anzahl dieser Veranstaltungen wird für ihn »Beweis«
     genug sein, dass er das »Problem« einfach nicht in den Griff bekommt. Unterm Strich ist diese Form der Mitarbeiterführung
     für das Unternehmen also eine glatte Fehlinvestition.

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    |47| Kapitel 2
Gefangen
Tunnelblick und natürliche Grenzen
    Alfred Kruttok hatte die letzten neun Jahre immer brav und zuverlässig seine Aufgaben als Sachbearbeiter erfüllt. Eines unseligen
     Tages brach die Welt für den 55-Jährigen zusammen. Das Unternehmen wurde von einer anderen Gesellschaft übernommen. Die Sachbearbeitung
     wurde vom konventionellen Aktenordner auf papierlose Verwaltung umgestellt. Alle Mitarbeiter bekamen eine einwöchige Schulung
     in das neue System. In der anschließenden Praxisphase glich Kruttok einem Trojanischen Pferd. Er unterminierte das System,
     indem abgespeicherte Akten nicht mehr auffindbar waren. »Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte. Ich dachte, ich hätte
     die Vorgänge richtig archiviert«, meinte er kalkweiß im Gesicht. Und weil Kruttok sich wirklich bemühte, bekam er eine Einzelschulung.
     Ein erfahrener Mitarbeiter zeigte ihm, wie er die elektronischen Akten lesen und bearbeiten sollte. Er setzte alle Register
     seines Könnens ein. Doch der Effekt war wie bei einem Handy-Kurs für rüstige Rentner: Nach zehn Seminarabenden hat der Dozent
     genauso graue Haare wie seine Teilnehmer – wenn er überhaupt noch Haare hat. Bei Alfred Kruttok dauerten die Trainingsbemühungen
     ganze drei Monate. Doch immer wenn er allein vor dem Rechner saß, war er überfordert. Kruttok wurde in dieser Zeit zunehmend
     verzweifelter. Sein Chef kam mir gegenüber ernüchtert zu dem Schluss: »Ich denke, bei ihm sind einfach die natürlichen Grenzen
     erreicht.« Notgedrungen strukturierte er |48| die internen Prozesse so um, dass Kruttok der Spezialist für verbliebene Papieraktenvorgänge wurde. Seine Hoffnung war, dass
     man ihn auf diese Weise bis zur Frühpensionierung noch ein bis zwei Jahre durchschleppen könnte. Denn versetzen oder entlassen
     war nicht möglich. Knapp ein Jahr später wollte es das Schicksal anders. Kruttok erlitt einen Schlaganfall und wurde arbeitsunfähig.
     Und wer kann schon sagen, inwiefern der psychische Stress dazu beitragen hat?
    Man muss nun nicht 55 Jahre alt sein, um so etwas zu erleben. Angesichts von Firmenübernahmen, Umstrukturierungen, Personalabbau
     und anderweitigen Veränderungsprozessen gehört es fast schon zum Alltag, dass sich Mitarbeiter plötzlich in Rollen wiederfinden,
     die sie gar nicht oder nur unzureichend ausfüllen können. Und gemäß dem Motto »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg« wird fleißig
     trainiert und geschult, um Mitarbeiter wieder zu Höchstformen zu bringen. Doch oft ist Hopfen und Malz verloren. Es gibt persönliche
     Grenzen. Wer kein räumliches Vorstellungsvermögen hat, kann nicht plötzlich architektonische Meisterleistungen vollbringen.
     In anderen Fällen fehlt die Begabung für das Erlernen fremder Sprachen oder für technisches Verständnis. Hinzu kommt, dass
     bestimmte soziale Fähigkeiten wie Kundenorientierung mit entsprechenden Einstellungen gepaart sind. Es reicht nicht, einfach
     nur Verhaltensweisen zu trainieren. Stellen Sie sich nur mal vor, wie jemand ein Lächeln am Telefon zeigen soll und dabei
     denkt: »Immer diese blöden Kunden mit ihren Extrawünschen.« Die Folge ist ein Zitronen-Lächeln, bei dem sich der Kunde am
     Telefon nicht freundlich aufgenommen fühlt. Einstellungen verändern zu wollen ist selten von Erfolg gekrönt. Den Unternehmen
     sind die persönlichen Grenzen bei Mitarbeitern vielfach auch klar. Doch das deutsche Kündigungsschutzgesetz bringt mit sich,
     dass man ungeeignete Mitarbeiter nicht einfach entlassen kann. Und so versucht man es mit Trainings oder Versetzungen und
     dann wieder Trainings. Glückliches Dänemark. Dort herrscht die Einstellung vor: »Wenn man nicht mehr in einen Job hineinpasst, |49| dann geht man eben woanders hin.« 21 Das erspart Arbeitnehmern wie Arbeitgebern viel Leid und Ärger – und das System bringt erstaunlicherweise nur halb so hohe
     Arbeitslosenzahlen hervor wie Deutschland. 22
    Nur geträumt:
Aus dem hässlichen Entchen wird kein Schwan
    »Du musst dich nur anstrengen, dann kannst du es.« Es ist

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