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Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gris
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ein Satz, der vielen Erwachsenen noch aus ihrer Kindheit in den
     Ohren klingelt. Ob Fahrradfahren, Eiskunstlauf oder Matheaufgaben. Ein Prinzip regiert von dem Moment an unser Leben, sobald
     wir uns aus dem Uterus den Weg in die Welt gebahnt haben. Es heißt: »Man kann alles lernen, wenn man nur will.« Oder wie uns
     der American Dream glauben zu machen versucht: Jedes Individuum kann durch harte Arbeit und eigene Willenskraft sein Leben
     verbessern. Die uralte Mär vom Tellerwäscher, der zum Millionär wird. Wer’s nicht schafft, ist selbst schuld. Casting-Shows
     wie
Popstars
oder
Germany’s next Topmodel
feiern aufgrund dieser Vorstellungen Hochkonjunktur. Bloß eines wird vergessen: Wenn die Anlage oder das Talent für eine bestimmte
     Sache fehlt, nützt kein Wille etwas. Aber mal ehrlich: Wer will das hören? Keiner. Jeder Chef wünscht sich, dass seine Mitarbeiter
     lebenslang lernfähig, wissbegierig und schulungstechnisch in alle Himmelsrichtungen formbar sind. Und so wundert es uns auch
     nicht, wenn es zu Wortschöpfungen kommt, die dieser Hoffnung Rechnung tragen. Von einem Vertriebsleiter hörte ich kürzlich
     das Wort »Vertriebskonditionierung«. Für alle Nicht-Psychologen sei kurz erklärt, dass Konditionierung das Erlernen von Reiz-Reaktions-Mustern
     beschreibt. Auf einen bestimmten Reiz folgt beim Organismus zwingend eine bestimmte Reaktion. Wie diese aussieht, hängt davon
     ab, ob ein bestimmtes Verhalten durch Belohnung oder Bestrafung verstärkt wird. Fast jeder wird schon einmal vom Pawlowschen
     Hund und dem dazu gehörenden Experiment gehört haben. Kurz zur Erinnerung |50| : Wenn das Futter vorbereitet wird, lösen die typischen Geräusche dieses Vorgangs beim Hund die Erwartung von Nahrung und
     somit das Einsetzen des Speichelflusses aus. Diese Geräusche wurden regelmäßig mit einem Glockenton ergänzt. Die Folge: Irgendwann
     ertönte nur noch das Glöckchen und der Speichelfluss setzte ein – ob der Futternapf folgte oder nicht. Warum also nicht auch
     einen Außendienstmitarbeiter dazu bringen, dass er beim linken Augenzucken des Kunden todsicher die Frage auswirft: »Klingt
     das interessant für Sie?«
    Man kann also vermeintlich alles lernen, wenn man nur die richtigen Bedingungen schafft und der nötige Wille da ist, mitzumachen.
     Die Mächtigkeit des Lernwillens machen uns kleine Kinder vor. Sie erkunden intensiv und lustvoll die Welt und wiederholen
     dabei unaufhörlich bestimmte Bewegungen, Verhaltensweisen und Worte. Bei Eltern führt dieser Wiederholungsdrang nach einer
     Phase von Stolz zu einem zerrütteten Nervensystem. Lernwille gehört zu den größten Tugenden in der Wirtschaft, wie eine Europa-Umfrage
     des Karriere-Netzwerks Monster beweist. Etwa die Hälfte von 14 427 befragten europäischen Arbeitnehmern meinte, dass Begeisterungsfähigkeit
     und Lernwille die wichtigsten Aspekte für den Erfolg im Bewerbungsgespräch sind. 23
    Doch so einfach, wie es klingt, ist das nicht. Selbst wenn der Wille mächtig ist, so wird aus einem verkaterten Smutje auf
     See niemals ein Sternekoch wie Holger Stromberg. Der gebürtige Westfale hat es in den Genen. Seine Familie hat sich seit drei
     Generationen mit Leib und Seele der Kunst der gehobenen Küche verschrieben. Kein Wunder, dass er 1999 als jüngster Koch Deutschlands
     mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. 24 Wieso ich auf Koch komme? Ganz einfach. Ein Trainer erzählte mal in einem Vortrag die Geschichte von Omas Suppe. Und die
     bringt sehr gut zum Ausdruck, warum Weiterbildungsmaßnahmen witzlos sind, wenn das Talent fehlt.
    Oma kochte eine ganz tolle Gemüsesuppe. Vielleicht nicht michelintauglich, aber dem Enkel stand vor lauter Vorfreude darauf |51| so viel Wasser im Mund, dass er einen Sandsack brauchte, um die Fluten zu stoppen. Seine Mutter startete verzweifelt einen
     Wettbewerb. Sie wollte ihren Sohn zurückgewinnen, der aus niederer Suppensucht nur noch die Küche der Oma beehrte. Sie sagte
     sich: Was meine Mutter kann, kann ich auch. Sie ahnen sicher schon, was passierte. Sohnemann verschmähte die Suppe. Sie schmeckte
     nicht wie bei Oma – und das, obwohl sie nach dem gleichen Rezept gekocht war. Und die Moral von der Geschichte: Zwei Leute
     können die gleichen Verhaltensweisen anwenden und trotzdem zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen. Natürliche Grenzen
     also. Oder anders ausgedrückt: Sie können sich sämtliche Regeln der Verkaufsrhetorik aus einem Buch einpauken und

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