Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gris
Vom Netzwerk:
haben trotzdem
     keinen nennenswerten Erfolg damit. Ein anderer dagegen verkauft die Ware wie Heu, obwohl er noch nie ein Buch dazu gelesen
     oder ein Seminar besucht hat. Sie kennen das selbst. Der eine bringt Leute zum Lachen, wenn er nur den Mund aufmacht, der
     Zweite kann binomische Formeln vorwärts und rückwärts aufsagen und der Dritte hackt so präzise Zahlenkolonnen in den PC, dass
     die Umwelt vor Neid erblasst. Im Tierreich ist das nicht anders. Da gibt es in Alaska Grizzlybären, die an den Yukon gehen
     und in Windeseile einen Lachs nach dem anderen herausfischen, während einige Meter weiter die Artgenossen mit bleckenden Zähnen
     am Ufer stehen und ihren knurrenden Mägen zuhören. Der eine kann es, der andere nicht. Und so lautet dann auch die schlichte
     Formel: Eine Fähigkeit erkennt man daran, dass etwas leicht und einfach von der Hand geht. Wenn das nicht der Fall ist, schafft
     eine Weiterbildung auch keinen Nutzwert. Ein Berufsberater baut auf diese einfache Erkenntnis und fragt deshalb Jugendliche
     im Beratungsgespräch: »Was kannst du denn gut?« – »Pferde striegeln.« – »Prima, dann mach’ eine Reitschule auf.« Dabei möchte
     ich erwähnen, dass die Qualität der Beratung vom jeweiligen Berufsberater abhängt.
    Nur Firmen brauchen Nachhilfe. Mitarbeiter werden auf Schulungen geschickt, obwohl der Nährboden dafür fehlt. Vielleicht liegt
     es daran, dass Weiterbildungsanbieter vollmundig werben |52| , dass man alles lernen kann – von Witzigkeit über Verhandlungsgeschick bis hin zu Schlagfertigkeit. Gerade Letztere ist oft
     Wunschtraum vieler. Wenn es zum Beispiel mal so hart kommt wie bei einer Stewardess, über die ein Rhetoriktrainer berichtete.
     Das Flugzeug geriet in Turbulenzen. Sie war noch im Gang unterwegs und stolperte über das Bein eines Fahrgastes. Obwohl dieser
     sein Fahrgestell im Gang stehen gelassen hatte, beschimpfte er die arme Stewardess mit den Worten: »Sie Trampeltier.« Darauf
     sagte die Stewardess: »Sie Gentlemen – aber es kann sein, dass wir beide uns irren.«
    Wären Sie auf solch eine Idee gekommen? Die Erfahrung zeigt, dass es nur gelingt, wenn Sie bereits das nötige Naturell mitbringen.
     Denn bei allem gibt es natürliche Grenzen. Das weiß übrigens auch die Buchbranche. Auf einer Messe hörte ich zufällig mit,
     wie ein Verlagsvertreter zu einem anderen sagte: »Wir verkaufen gerade zig-tausendfach Schlagfertigkeits-Trainingsbücher,
     obwohl man Schlagfertigkeit nicht lernen kann.« Sprach’s und lachte sich krumm. Ob im Umgang mit Zahlen, bei der Aufnahmeschnelligkeit
     von neuem Wissen, Arbeitstempo oder rhetorischem Vermögen: Es kostet einen unverhältnismäßig hohen Aufwand und ist oft trotzdem
     nicht von Erfolg gekrönt, Menschen zu trainieren, denen das Potenzial fehlt. Diese Lernkurve sah auch der Personalleiter eines
     Unternehmens für Unterhaltungselektronik. »Wir hatten zwei Führungskräfte, die in Englisch fit gemacht werden sollten«, erzählte
     er mir. Diese Notwendigkeit ergab sich aufgrund der internationalen Zusammenarbeit. Flugs wurde ein Sprachkurs gebucht. Am
     Ende war der Erfolg spärlich. Die beiden taten sich unheimlich schwer. Im Nachhinein ärgerte sich der Personalleiter, dass
     er nicht die Notbremse gezogen hatte. »Wir hätten früher sagen müssen, ihr seid keine Sprachtalente. Es macht keinen Sinn.«
     Eine Erkenntnis, die mit rund 15 000 Euro teuer erkauft wurde. Und die Schule räumte später sogar ein, dass den beiden Herren
     die mentale Fähigkeit fehlte, Sprachen leicht zu lernen. Nicht jeder Weiterbildungsanbieter trägt so naiv sein |53| Herz auf der Zunge. Die meisten trainieren still und genießen die Einnahmen – auch wenn der Lernerfolg fraglich ist. Eine
     erfahrene Trainerin aus dem Bankenbereich berichtete mir, dass Auftraggeber anscheinend auch gar nicht an der Wahrheit interessiert
     sind. Selbst wenn klar ist, dass Mitarbeiter intellektuell nicht in der Lage sind, das umzusetzen, was sie lernen sollen,
     werden sie immer wieder regelmäßig zu Trainings geschickt. Vielleicht steht dahinter das Motto: Viel hilft auch viel. Ein
     Irrweg, wenn man an persönliche Grenzen stößt.
    Das war auch der Fall bei einer Juristin. Sie wurde aufgrund ihrer hohen Fachkompetenz eingestellt. Wie sich später herausstellte,
     gehörte sie zu dem Typ Mensch, der – so die Worte des Personalleiters – »immer nur den Baum sieht, aber nicht den Wald«. Sie
     war nicht in der Lage, zunächst

Weitere Kostenlose Bücher