Die Weiterbildungsluege
Tony Buzan,
Mind-Map-Begründer und Gedächtnisexperte, verweist auf neuere Studien, wonach innerhalb von 24 Stunden 80 Prozent der Details
bereits vergessen sind. Über einen Zeitraum von zwei Tagen, einer Woche, einem Monat und vier Monaten geht die Erinnerung
dann rapide gegen null. 37 Das heißt, wenn man jemanden nach einem Monat auf ein Training anspricht, fragt dieser: »Welches Training?« Das Einzige,
was dagegen hilft, ist intensive Wiederholung und aktive Beschäftigung mit dem Lernstoff. Am besten ist natürlich dessen ständige |79| Anwendung im Tagesgeschäft. Und da hakt es dann leider wieder. Einen Großteil der gelernten Informationen braucht man nämlich
nur sporadisch. Ebbinghaus stellte übrigens auch fest, dass sich die Zahl der Wiederholungen für einen Lernstoff überproportional
erhöht, je mehr von ihm in einer Lerneinheit dargeboten wird. Womit wir wieder an dem Punkt sind, dass Lernen Arbeit bedeutet.
Denn in Seminaren strömt auf die Teilnehmer jede Menge Neues ein.
Kampfansage an den alten Trott:
Mit System gegen das Vergessen
Wie schwierig es ist, den alten Trott zu verlassen, wissen natürlich auch Personalentwickler. Und so versuchen sie passend
zum Unternehmensrahmen und dem vorhandenen Budget Strukturen einzubauen, die helfen, Transfer und Nachhaltigkeit zu schaffen.
Am häufigsten finden sich systematisch aufgebaute Programme bei Führungskräfteentwicklungen, bei Verkäuferschulungen, aber
auch bei Telefonschulungen für Mitarbeiter von Call-Centern. Diese Programme sind in Hinblick auf die strategischen Ziele
des Unternehmens besonders im Fokus. Daher ist hier die Bereitschaft höher, mehr Zeit, Geld und Arbeit hineinzustecken. Ein
solches Programm sieht üblicherweise so aus, dass es aufeinander aufbauende Seminarmodule gibt, zwischen denen monatliche
Praxis und Umsetzungsphasen liegen. Jedes Modul schließt mit einem Programmpunkt zum Lerntransfer in die Praxis ab. Dazu gehört,
dass jeder für sich Lern- und Entwicklungsziele definiert, über deren Umsetzung im nächsten Modul gesprochen wird. Daran geknüpft
kann auch noch eine spezielle Hausaufgabe sein. Schließlich bekommt jeder noch ein dickes Skript der Inhalte zum Nacharbeiten.
Um die Erinnerung an die Lernziele aufrechtzuerhalten, schreiben Teilnehmer einen Brief mit Vorsätzen an sich selbst, den
ihnen der Trainer einige Wochen später per Post zukommen lässt. Oder es wird eine Lernpartnerschaft gegründet. Zwei Teilnehmer |80| nehmen in der Phase bis zum nächsten Modul Kontakt auf, um über ihre Fortschritte zu sprechen. Andere Formen der Umsetzungssteuerung
sind Intervisionsgruppentreffen. Das heißt, Teilnehmer treffen sich selbstorganisiert in kleinen Gruppen, um Lernthemen weiter
zu bearbeiten. Schließlich gibt es auch noch die Möglichkeit für ein Training on the Job. Der Trainer oder ein interner Coach
beobachtet Teilnehmer im Rahmen ihrer Arbeit und gibt Feedback und Tipps. Und weil das besonders aufwändig ist und auch nicht
immer praktikabel, wird es selten gemacht.
Insgesamt gibt es ein reichhaltiges Spektrum an Maßnahmen und Methoden, um den Spannungsbogen für die Umsetzung von Lerninhalten
zu realisieren. Und wenn man das alles von außen betrachtet, wirkt dieses Lernpaket wie eine runde Sache, bei der man kaum
Zweifel hegen mag, dass dadurch neues Wissen und neue Verhaltensweisen gelernt werden. Doch man darf nicht vergessen, es wird
nie alles auf einmal gemacht, sondern es wird immer unter Zeit-, Kosten- und Nutzenerwägungen eine Auswahl getroffen. Und
da ich gerade über Kosten und Nutzen spreche, fällt mir ein interessantes Phänomen aus der Weiterbildungspraxis ein. Es ist
seltsam, dass solche intensiven Programme immer nur dann existieren, wenn es einem Unternehmen finanziell gut geht. Sobald
ein Sparkurs verhängt wird, kommt sofort die Order an die Personalentwicklungsabteilung, ein Kostensparsignal zu setzen. So
viel Nutzen traut man also diesen Programmen nicht zu. Eigentlich sollte man meinen, dass gerade sie einem Unternehmen helfen,
schnellstens wieder auf Kurs zu kommen. Die Wahrheit ist, dass im Unternehmen keiner wirklich daran glaubt, dass die Lerninhalte
in die Praxis umgesetzt werden und damit auch einen positiven Einfluss auf die Kennzahlen der Firma bringen. Ein System zur
Umsetzungssteuerung sorgt zwar dafür, dass sich Mitarbeiter mehr mit den Seminarinhalten beschäftigen, sich austauschen, reflektieren
oder
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