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Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gris
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Sie beim ersten Lesen, dass es ein interessantes und vielversprechendes Instrument ist. Bei genauerer
     Betrachtung ist es jedoch auch keine Lösung, um vergeudete Weiterbildungsgelder zu vermeiden. Ich will Sie dabei gar nicht
     mit wissenschaftlichen Gütekriterien quälen, die den Test infrage stellen. Aber es fängt schon damit an, dass er voraussetzt,
     dass ein Mitarbeiter bereit ist, diesen vor jeder Maßnahme wahrheitsgemäß zu beantworten und somit eine volle Transparenz
     seines Innenleben zu gewähren. Wie sieht das denn aus? »Ach, Sie sind jemand, der bei dem geplanten Seminar keinen Erfolg
     haben wird? Na, wem geben wir denn dann die Maßnahme, wenn nicht Ihnen?« Doch wer weiß – es soll ja auch Menschen geben, die
     da mitspielen. Viel entscheidender ist die Frage, was ein Unternehmen macht, wenn es wirklich mithilfe solch eines Tests feststellt,
     dass die Mehrheit der Mitarbeiter keinen Seminarerfolg haben wird. Nehmen wir doch mal an, der Test wäre zu 100 Prozent treffsicher
     und nicht nur zu 40 Prozent. Wenn es an den nötigen Persönlichkeitseigenschaften mangelt, wird man wohl kaum ein Seminar machen
     können, in dem die Leute erfolgreich lernen, wie sie umsetzungsstark werden. Laut Testergebnis dürfte man sie dort nicht hinschicken.
     Wenn also besagtes Unternehmen erkennen würde, dass die Mehrzahl der Mitarbeiter nicht umsetzungsstark ist – würde es dann
     nur die wenigen weiterbilden, bei denen der Erfolg anzunehmen ist? Das widerspricht den grundsätzlichen Interessen von Personalentwicklung.
     Denn sie zielt doch gerade darauf ab, die Mitarbeiterschaft in der Gesamtheit für die Interessen eines Unternehmens |86| fit zu machen. Doch selbst wenn es in der Firma nur Mitarbeiter gäbe, die ein vielversprechendes Profil für die Umsetzung
     von Seminarinhalten hätten – es würde immer noch nicht ausreichen. Denn ein Test kann zwar die Eigenschaften messen, aber
     nicht, ob sie in entsprechenden Situationen auch gezeigt werden. Der Mensch ist immer im Spannungsverhältnis zwischen persönlichen
     Eigenschaften und der Situation, in der er sich befindet. Eindrucksvolle Studien aus der Sozialpsychologie beweisen, wie hoch
     der Einfluss einer Situation auf das Verhalten von Menschen ist. Sie verhalten sich unter bestimmten Umständen komplett anders,
     als man es von ihnen erwarten würde. Die wohl bekannteste Studie dazu ist das Milgram-Experiment aus den 1960er Jahren, an
     dem etwa 2 000 Menschen teilnahmen. In ihrer Rolle als Lehrer hatten die Versuchspersonen Fehler, die ein »Schüler« machte,
     zu bestrafen. Dieser saß in einem anderen Raum. Eine Sprechanlage stellte die Verbindung her. Die »Lehrer« sollten jeden Fehler
     durch einen Elektroschock sühnen. Dabei wurde die Intensität mit jedem Fehler gesteigert. Das Ziel der Untersuchung sei –
     so die Instruktion an die »Lehrer« – herauszufinden, wie das Zusammenspiel von Belohnung und Bestrafung die Gedächtnisleistung
     beeinflusst. Sie ahnten nicht, dass sie selbst die Testpersonen waren und nicht der für sie unsichtbare Mensch im Nebenraum.
     Das schockierende Ergebnis der Studie war schließlich, das fast zwei Drittel der »Lehrer« den stärksten und somit lebensgefährlichen
     Elektroschock von 450 Volt verabreichten. Die »Lehrer« hatten trotz lauten Protests oder Schreiens des »Schülers« den Anweisungen
     des Versuchsleiters gehorcht, mit dem Experiment fortzufahren. Sie hatten sich von der Situation beeinflussen lassen. Und
     so wissen wir aus dieser und anderen Studien der Sozialpsychologie, dass Situationen einen stärkeren Einfluss haben als persönliche
     Eigenschaften.
    Daher ist die Eigenschaft eines Top-Umsetzers auch keine Garantie für Lernerfolg im situativen Umfeld des operativen Geschäfts.
     Wenn er im Zeit- und Ressourcenkonflikt mit seinem Tagesgeschäft ist, wird auch er die Prioritäten dem Dringlichen zuordnen |87| – wozu das Üben und Nachbereiten von Seminarinhalten nicht gehört. Und so bleibt eigentlich nur noch ein Aspekt übrig, unter
     welchen Bedingungen Menschen neues Verhalten und Wissen lernen. Äußerer Leidensdruck.
    Leidensdruck: Verbrenne die Schiffe, um zu neuen Ufern zu kommen
    Irgendjemand hat mal gesagt, dass man die situativen Rahmenbedingungen rigoros ändern muss, damit Menschen den nötigen Druck
     haben, sich etwas Neues anzueignen. Wenn es kein Zurück mehr gibt, bleibt nur der Weg nach vorn offen. Denken Sie nur an den
     Film
Verschollen
mit Tom Hanks.

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