Die Weiterbildungsluege
machen mit und äußern am Ende, wie interessant alles war. Diesen
Effekt kann man als Trainer erreichen, indem man einen guten Mix zusammenstellt, die methodisch-didaktischen Prinzipien beherzigt
und auf die Wissensbedürfnisse eingeht. Teilnehmer sind auch begierig auf Tools, wie sie es gerne nennen. Sie meinen damit
einfache Regeln, Konzepte, Kochrezepte und Checklisten. Irgendetwas, was das Arbeiten leicht macht und ganz schnell anwendbar
ist. Sobald erkennbar wird, das selbst das einfachste Tool geübt und ins Repertoire integriert werden muss, werden die Gesichter
länger. Teilnehmer wechseln dann schnell |77| das Thema und wollen lieber noch ein paar Tools kennenlernen, um sich besser im Alltag zurechtzufinden. Je mehr davon, umso
besser. In einem Führungstraining sagte ein Teilnehmer zu mir: »Ich weiß nicht, ob ich das im Alltag so schnell anwenden kann,
wenn ich in der Situation bin. Sieht schwer aus.« Er hatte gerade aus dem Wissen der Gruppendynamik das Tool »Phasen der Teamentwicklung«
kennen gelernt. Mich wundert solch eine Aussage immer. Es steigt ja auch keiner ins Auto und erwartet bei der ersten Fahrstunde,
dass er wie ein junger Gott durch den Straßenverkehr schwebt. Komischerweise soll aber Seminarwissen ohne Aufwand verfügbar
sein. Und da sind wir wieder beim Phasenmodell der Veränderung, das, wie erwähnt, auf plakative Weise illustriert, was zu
leisten ist, um zum Beispiel solch ein Tool in das eigene Repertoire sinnvoll zu integrieren. Natürlich versucht der kundige
Trainer durch Wiederholungen und Übungen, die Inhalte leidlich zu vertiefen und gleichzeitig den amüsanten, abwechslungsreichen
Spannungsbogen aufrechtzuerhalten, den Teilnehmer schlichtweg erwarten. Angesichts großer Seminargruppen und dem Prinzip Freiwilligkeit
haben aber nie alle die Möglichkeit für intensives Üben und Feedback. Eine Trainingsfrequenz wie beim Erlernen einer Sportart
findet ohnehin nicht statt. Denn keiner möchte eine dröge Veranstaltung, bei der man bestimmtes Wissen oder spezielle Verhaltensweisen
bis zum Exzess übt – was durchaus sinnvoll wäre. Doch so etwas will in der Regel niemand. Und da der Trainer nicht in hohem
Bogen aus der Veranstaltung fliegen möchte, macht er den Eiertanz zwischen den Stühlen. Am Ende ist der Teilnehmer wieder
sich selbst überlassen und muss – ich erwähnte es bereits – durch die Phase 5 des Dranbleibens, Durchhaltens, Wiederholens
und Übens ohne fachkundige Begleitung hindurch. Und so reihen sich die Berichte zu diesem Thema wie Perlen an einer Schnur.
Die Personalentwicklerin eines Bau- und Heimwerkermarktes erzählte mir von einer Veranstaltung für Studenten einer Berufsakademie.
Dabei erfuhren die Teilnehmer vom Geschäftsführer Aktuelles zum Unternehmen. Außerdem |78| gab es kleine Lerneinheiten. Viele Male war die leidvolle Erfahrung, dass sich die Studenten anscheinend nur berieseln ließen.
Es schrieb auch keiner mit. Dieser Eindruck wurde bestätigt, als die Personalentwicklerin einen Überraschungstest ausgab,
in dem es Fragen zur Veranstaltung zu beantworten galt. Die Qualität der Antworten war mehr als dünn. Die Konsequenz war,
dass sie einen Lerntest einführte. »Das beschäftigt mich Stunden. Ich muss korrigieren und die Antworten zurückmelden. Aber
so bleibt zumindest etwas haften«, erklärt sie. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Lernforschung zeigt nämlich sehr eindrucksvolle
Vergessenskurven auf, die auch diese hehre Arbeit als überflüssig ausweisen. Das Großhirn von uns Menschen hat zwar eine erstaunliche
Kapazität, behält aber nur das neue Wissen, das in bestimmten Zyklen intensiv wiederholt wird oder durch hohe Emotionalität
beziehungsweise seine Besonderheit aus dem Rahmen fällt. Das heißt, nach einem Lerntest fällt die Wissenskurve auch schnell
wieder ab, wenn nicht mit dem Erlernten weitergearbeitet wird. Bereits 1885 hat der deutsche Experimentalpsychologe Hermann
Ebbinghaus eine Arbeit über unser Erinnerungsvermögen veröffentlicht, in der er Zusammenhänge von Lernen und Vergessen darstellte. 36 Die Erkenntnisse dieser wissenschaftlich fundierten Pionierarbeit gelten immer noch. Er stellte fest, dass schon nach 20
Minuten 42 Prozent des Lernstoffs vergessen waren, nach einer Stunde sogar 50 Prozent. Bereits nach wenigen Minuten setzt
also das Vergessen von Informationen ein. Also lesen Sie am besten gleich noch einmal den Anfang dieses Buches.
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