Die Weiterbildungsluege
Schweinehund sorgt für Passivität und
ist ein Synonym für Willensschwäche, die eine Person daran hindert, Anstrengungen zu unternehmen. Der Begriff geht übrigens
auf den zur Wildschwein-Jagd eingesetzten Sauhund zurück. Seine Aufgaben sind das Hetzen, Ermüden und Festhalten von jungen
Wildschweinen. Der Schweinehund wurde erstmals in der Studentensprache des 19. Jahrhunderts gesichtet. Es war ein Schimpfwort.
Im übertragenen Sinne waren damit Menschen gemeint, die als Charaktereigenschaft eine Bissigkeit wie der besagte Sauhund hatten. 34 Unser innerer Schweinehund macht da keine Ausnahme: Er verteidigt unsere eingefahrenen Bahnen bis aufs Blut.
Warum unser Schweinehund siegreich vom Platze zieht, hat damit zu tun, dass wir auch lang genug gebraucht haben, bestimmte
Verhaltensweisen zu erlernen. Dennoch ist Veränderung oder das Erlernen von neuem Verhalten vielfach möglich. Sonst säßen
wir immer noch bei rohem Fleisch in einer untertemperierten Steinhöhle. Es braucht dafür jedoch bestimmte Bedingungen, |73| die im Rahmen betrieblicher Weiterbildung nicht vorliegen. Das lässt sich sehr gut anhand eines Modells von James Prochaska,
John Norcross und Carlo Diclemente nachvollziehen. 35 Die Wissenschaftler der University of Rhode Island erforschten über 20 Jahre hinweg, unter welchen Bedingungen Verhaltensänderungen
stattfinden. Sie untersuchten dabei mehr als 1 000 Probanden, die sich durch eine erfolgreiche Selbstveränderung auszeichneten.
Danach durchläuft eine Person – vereinfacht gesagt – sechs Phasen, um zu einer dauerhaften und stabilen Verhaltensänderung
zu gelangen. In jeder Phase braucht es bestimmte unterstützende Maßnahmen, die helfen, überhaupt in die nächste Phase zu gelangen.
In Phase 1 wird die Veränderungsnotwendigkeit verleugnet. Die Zahl der Strategien, mit denen Menschen an diesem Punkt aufwarten,
ist immens. Die Palette reicht von einfacher Bagatellisierung bis hin zu der Annahme, dass nicht man selbst, sondern die anderen
sich ändern müssten. Eine schöne Übersicht über die Vielfalt von Abwehrmustern hat Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse,
schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgestellt. Phase 2 ist durch eine bewusste Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen
gekennzeichnet. Menschen beschäftigen sich geistig mit den Gründen, warum eine Veränderung sinnvoll sein könnte. In Phase
3 ist die Entscheidung getroffen. Über den wirklichen Aufwand gibt es jedoch eher eine Ahnung als eine sichere Erkenntnis.
Es geht nun darum, ganz konkret die Schritte zu planen, die zu einer erfolgreichen Veränderung führen. In Phase 4 kommt es
zu den ersten Handlungen. Es wird deutlich, dass die geplante Veränderung wirklich Arbeit bedeutet – besonders dann, wenn
das Umfeld nicht unterstützend wirkt. Phase 5 beschreibt das längere Durchhalten von neuen Verhaltensweisen, auch wenn es
zu Hindernissen und Rückschritten kommt. Diese Phase dauert am längsten und ist am schwierigsten zu meistern. Besonders die
Tatsache, dass Menschen kleine Erfolge selten bemerken und in Alles-oder-nichts-Kategorien denken, erschwert die Motivation
zum Dranbleiben. Die übliche Reaktion ist daher: »Es bringt alles |74| nichts.« Die Flinte wird ins Korn geworfen. In Phase 6 sind alle Hürden überwunden und es existiert eine stabile neue Gewohnheit.
Es braucht keine besondere Aufmerksamkeit und Anstrengung mehr. Die Verhaltensweise ist genauso zuverlässig und konstant im
Kopf verankert wie die Tatsache, dass der überwiegende Teil von Autofahrern an einer roten Ampel stehen bleibt. Bis auf die
Farbenblinden.
Wenn Sie nun für einen Moment an unsere Präsentationskoryphäe Herrn Tatting zurückdenken, dann wird Ihnen deutlich, dass der
Marketing-Abteilungsleiter noch nicht über die Phase 2 hinausgelangt ist. Denn er sieht zwar Handlungsbedarf, aber eben doch
nicht so zwingend. Ihm ist bewusst, dass er viele neue Verhaltensweisen in sein Repertoire aufnehmen müsste: Blickkontakt,
langsames Redetempo, übersichtlich-plakativ gestaltete Folien und so weiter. Er müsste jedoch die Entscheidung treffen, wirklich
die Umsetzung der neuen Verhaltensweisen zu planen, zum Beispiel sich mehr Zeit für die Vorbereitung einer Präsentation nehmen,
sie im stillen Kämmerlein üben, sich vermehrt Übungssituationen schaffen, Feedbackpartner organisieren und vieles mehr. Das
bedeutet auch, sich dafür trotz des operativen Drucks
Weitere Kostenlose Bücher