Die Weiterbildungsluege
sind.
Sie sind robust, weil sie das Kündigungsschutzgesetz ganz genau kennen. Ich sprach bereits im zweiten Kapitel davon. In besonders
harten Fällen helfen weder Abgruppierungen, Abmahnungen noch Versetzungen. Diesen Mitarbeitern geht es nur um eines: in der
Komfortzone ihres Arbeitsplatzes zu bleiben. So erzählte mir ein Gruppenleiter von einem Mitarbeiter, der nachweislich die
Teamatmosphäre vergiftete. Erste Maßnahmen zielten darauf ab, ihm durch ein Training eine Sensibilität für die Zusammenarbeit
zu verschaffen. Fehlanzeige. Der Vorgesetzte erzählte mir: »Er bringt genau die Leistung in seinem Job, bei der man ihm nichts
ankreiden kann.« Punkt 18 Uhr lasse er jedoch den Griffel fallen, schalte sein Handy aus und sei für keinen mehr erreichbar.
Die übliche Teamkultur sei aber, dass man sich einbringe, flexibel einspringe und die eigene Arbeit auch am Bedarf orientiere.
Darüber hinaus verbreite der Mitarbeiter negative Schwingungen. Seine Äußerungen gingen in die Richtung: »Alles ist so schwer.
Die Kunden sind blöd. Die Firma ist böse und macht mit den Mitarbeitern böse Sachen.« Resigniert konstatierte der Gruppenleiter:
»Er kennt alle seine Rechte. Er ist obendrein noch deshalb super abgesichert, weil |90| er im Betriebsrat ist.« Obgleich dieser Fall sicherlich extrem ist, so macht er zumindest eines deutlich: Die Umsetzung von
Schulungsinhalten ist nie überlebensnotwendig. Es besteht auch keine existenzielle Gefährdung, wenn neue Verhaltensweisen
nicht gelernt oder Gewohnheiten nicht geändert werden. Oder haben Sie schon mal gehört, dass jemand gefeuert wurde, weil er
das Vier-Ebeneneiner-Nachricht-Modell 41 der Kommunikation von Friedmann Schulz von Thun nach einer Schulung nicht angewendet hat? Oder kennen Sie Fälle, in denen
jemand abgruppiert wurde, weil er bei Kunden nur einen Bruchteil der gelernten Fragetechnik einsetzt? Die Rahmenbedingungen
der Weiterbildung sind also komplett anders als im eingangs erwähnten Film
Verschollen
. Es fehlt der ultimative Leidensdruck, damit Mitarbeiter die Inhalte betrieblicher Weiterbildung in die Tat umsetzen, und
deshalb passiert auch nichts. Das verlangt nach einem neuen Modell der Personalentwicklung. Es könnte, makaber gezeichnet
und selbstverständlich nicht zur tatsächlichen Umsetzung empfohlen, so aussehen: Der Mitarbeiter wird nach erfolgtem Training
chronisch mit einer Videokamera überwacht, um die Umsetzung der Inhalte zu dokumentieren. Seine Gedanken werden zusätzlich
mittels eines innovativen Thought-Analysers registriert. Wenn ihm die Umsetzung nicht gelingt, wird er erschossen. Das würde
Bewegung ins Spiel bringen und obendrein das Problem der hohen Arbeitlosenzahlen lösen.
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|91| Teil II
Die Manager
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|93| Kapitel 4
Die Zeitfalle
Getrieben vom operativen Geschäft
Es war 15 Uhr. Draußen strahlte die Sonne. Die beiden Führungskräfte saßen in gespannter Erwartung vor dem Flip-Chart. Was
würde auf sie zukommen? Es hieß nur, es sei eine intensive, anspruchsvolle und herausfordernde Führungsaufgabe. »Suchen Sie
sich mit Ihrem Team eine Organisation vor Ort und machen Sie eine Kulturanalyse über drei Hierarchieebenen«, erklärte ihnen
der Auftraggeber. Danach folgten noch diverse Ergänzungen. »Morgen früh um 9 Uhr ist Abgabeschluss«, beendete er seine Ausführungen.
Teamleiter Karsten Blum, 35 Jahre, hatte schon die ganze Zeit unruhig auf seinem Stuhl gesessen. Dann sprang er wie von einer
Tarantel gestochen auf. Die Zeit drängte. Woher jetzt auf die Schnelle eine Organisation nehmen? Im Vergleich zu ihm war ein
Ameisenhaufen die Ruhe selbst. Alles, was in der nächsten Stunde noch kam – Teamzusammenstellung oder ergänzendes Briefing
zur Aufgabenstellung –, war bei ihm geprägt von Atemlosigkeit und Hektik. Der andere Teamleiter dagegen ging entspannter vor.
»Immer wieder eindrucksvoll«, dachte ich – der Trainer und Auftraggeber. »So ein lebensechtes Planspiel im Seminar bringt
am besten die Stärken und Schwächen von Teilnehmern auf den Punkt.« Am Ende gab es drei zentrale Lerneffekte für Karsten Blum.
Er hatte den Auftrag nicht geklärt, sondern sich reinem Aktionismus hingegeben. Dadurch produzierte er eine enorme Blindleistung.
Zum anderen setzte er sich selbst und sein |94| Team durch seine eigene Anspruchshaltung unter überflüssigen Zeitdruck. Und schließlich holte er für die
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