Die Weiterbildungsluege
Auftragslage jedoch sehr gut ist, sind
Probleme an der Maschine vorprogrammiert. Der Fertigungsmeister ist voll gefordert. Auslieferungstermine werden gekippt, Dringlichkeitsanfragen
erfordern die Abstimmung mit dem Vertrieb, der Materialnachschub muss sichergestellt werden und vieles mehr. Aufgrund dieser
Aufgaben verbringt der Fertigungsmeister die meiste Zeit in seinem kleinen Büro vor dem Bildschirm, statt in Kontakt mit seinen
Mitarbeitern auf der Fläche zu sein.
Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass der Vorgesetzte alles andere zu tun hat, als die Leistungen seiner Mitarbeiter
genau zu beobachten oder Entwicklungsgespräche zu führen. Das liegt nicht nur am operativen Druck, sondern zusätzlich daran,
dass der Meister eine sehr hohe Führungsspanne mit 50 Mitarbeitern hat, die er in einer großen Halle nicht ständig zu Gesicht
bekommt. Noch schwieriger haben es Chefs, die sogenannte virtuelle Teams führen. Die Mitarbeiter sind an verschiedenen Standorten
ansässig. Oft sogar im Ausland. In diese Kategorie fallen auch Mitarbeiter, die im Außendienst arbeiten, klassischerweise
im Vertrieb. Aber auch Monteure im Bereich Telekommunikation oder Stromversorgung gehören dazu. Nicht zu vergessen Ingenieure
oder Consultants, die projektbezogen viel unterwegs sind. Und so fällt gern der Satz: »Ich weiß gar nicht, was mein Mitarbeiter
braucht, ich habe kaum eine Gelegenheit, ihn bei seiner Arbeit zu sehen.« Natürlich sagt das keiner laut. Wer will sich schon
als Chef das Armutszeugnis ausstellen, dass er die Entwicklung seiner Mitarbeiter nicht gemanagt bekommt. Aber die Folgen
dieser Führungssituationen sind allerorten erkennbar.
|99| Das Tür-auf-Tür-zu-Prinzip: »Gehen Sie mal dahin!«
Da die Zeit knapp ist, fallen Vorgespräche zu Trainingsmaßnahmen ganz aus, passieren zwischen Tür und Angel oder per E-Mail.
Diese Erfahrung teilt auch ein Verkaufstrainer aus der Getränkeindustrie. Da wird ein Kommunikationsseminar angeboten und
es heißt: »Geht mal da hin, da könnt ihr was lernen.« Besonders beliebt sei diese Praxis, wenn es einen Getränkeverband gibt,
der die Fortbildung auch noch subventioniert. Er habe es oft erlebt, dass Leute einfach mal wieder auf ein Seminar geschickt
wurden und dann breit grinsend vor ihm saßen. Denn was sie lernen sollten und warum, war ihnen nicht bewusst. »Irgendwas mit
Verkaufen halt.« Für ihn ist angesichts solcher Antworten sofort klar, dass weder der Bedarf ermittelt noch mit den Mitarbeitern
über den Grund der Teilnahme näher gesprochen wurde.
»Die Teilnehmer wissen oft nicht, um was es im Seminar geht«, erzählte mir auch ein 42-jähriger Trainer aus der Versicherungsbranche.
Und eine unserer Kolleginnen bestätigte mir: »Die Teilnehmer kommen mit einem Fragezeichen im Kopf in die Seminare.« Alle
sprechen aus, was im Grunde jeder Trainer immer wieder erlebt. Die Mitarbeiter werden von Fortbildungen überrascht und sind
schlecht informiert. Das geht sogar so weit, dass sich Teilnehmer im Seminar beschweren: »Mein Chef spricht nicht mit mir.«
Und so ergibt sich bei der internen Trainerin einer Bank immer wieder der Eindruck: »Die Ziele einer Maßnahme werden gar nicht
oder nicht richtig kommuniziert. Ich habe das Gefühl, dass Trainer Dinge vermitteln sollen, über die die Chefetage selbst
keine klaren Vorstellungen hat.«
Mangelnde Einstimmung trägt dazu bei, dass Fortbildung nicht funktioniert. Wenn der Chef so wenig Interesse zeigt, dass der
Mitarbeiter gut vorbereitet und motiviert in ein Seminar geht, überträgt sich das auf den Mitarbeiter. Er misst dem Ganzen
nicht viel Bedeutung bei und leistet pflichtgemäß die Schulung ab. Denn auch er hat im Alltag viel zu tun. Angesichts dieses
Vorgehens passiert |100| es dann natürlich leicht, dass ein Mitarbeiter mit völlig falschen Erwartungen in eine Veranstaltung geht und von ihr auch
noch maßlos enttäuscht ist. Die Freude an nächsten Seminaren kann man sich an fünf Fingern abzählen.
Trotz allem sieht die Praxis so aus, dass Mitarbeiter von anstehenden Weiterbildungsmaßnahmen »kalt erwischt« werden. Mit
einer Einladung per E-Mail. In ergreifender Schlichtheit ploppt plötzlich das Symbol eines Briefkuverts am Bildschirm unten
rechts auf, in dem folgende Nachricht steckt: »Sehr geehrte Herren, wie bereits angekündigt laden wir Sie herzlich zur Veranstaltung
›Moderatorentraining‹ ein.« Es folgen einige
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