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Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gris
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dass der Mitarbeiter von seinem Chef nur dessen
     Schatten sieht oder es im Büro ein bisschen nach Gummi riecht, weil der Boss wie ein Roadrunner mit qualmenden Sohlen von
     einem Meeting zum anderen hetzt. Von anderen Chefs muss man sich ein Bild auf den Schreibtisch stellen, damit man nicht deren
     Gesicht vergisst.
    Angesichts dieser Situation ist es verständlich, dass der Dialog zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter in Bezug auf Entwicklungspotenziale
     auf der Strecke bleibt. Diesen Umstand verdeutlicht auch das Langzeitforschungsprojekt Arbeitsweltmonitor. Es startete im
     Jahr 2006. Im Pilotjahr wurden in 14 Unternehmen insgesamt 1 290 Einzelabfragen durchgeführt. Darauf aufbauend finden Folgebefragungen
     statt. Der Studie zufolge meinen über 60 Prozent der Befragten, es gebe nicht ausreichend Gespräche mit der eigenen Führungskraft
     zur persönlichen Entwicklung. 43 Und genau das ist der Grund, weshalb Weiterbildung nicht funktioniert, meinen Trainer und Personalentwickler übereinstimmend.
     Einer meiner Kollegen aus der Versicherungsbranche bringt auf den Punkt, was ich von vielen anderen gehört habe: »Die wenigsten
     Führungskräfte haben ein dezidiertes Bild davon, was die Mitarbeiter brauchen und wohin die Reise geht.« Auch der Leiter Personalentwicklung
     eines Unternehmens für mechanische und elektronische Antriebe bestätigt, »dass sich Chefs zu wenig mit ihren Mitarbeitern
     beschäftigen, um den genauen Bildungsbedarf zu kennen«. Und damit beginnt der Kreislauf vergeudeter Mittel. Ist der Bedarf
     nicht klar, kann nicht zielgerichtet geschult werden. Das merkt aber keiner, weil sich die Chefs auch nicht mit dem Mitarbeiter
     beschäftigen, wenn er von einer Schulung zurückkommt. Doch: »Ohne gute Kontrollen verpuffen die Maßnahmen schnell. |97| Leider ist das die Regel. Die meisten Teilnehmer lassen Weiterbildung an sich vorüberziehen.« Darüber besteht Einigkeit in
     Trainerkreisen. Auch der Personalentwicklungsleiter eines Reiseveranstalters sagt: »Nur ein Bruchteil von dem, was sich jemand
     im Seminar selbst vorgenommen hat, kommt in die Umsetzung, wenn es nicht zu vielen kleinen Nachcoachings durch den Chef kommt.«
    Um den nötigen Dialog zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter anzukurbeln, setzen besonders größere Unternehmen auf formalisierte
     Prozesse. Sehr zum Leidwesen der Chefs, die nämlich stöhnen: »Ich muss zig Formulare ausfüllen und zig Gespräche führen«.
     Recht haben sie. Denn es gibt jährliche Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungsgespräche, Reviews oder Gespräche mit Low Performern,
     die wieder auf Leistungskurs gebracht werden sollen. Angesichts der Administration hört natürlich der Spaßfaktor auf. Viele
     Vorgesetzte lösen das Problem pragmatisch. Trotz offizieller Prozesse lassen sie es einfach. So kennt es auch der eben erwähnte
     Personalentwicklungsleiter: »Ich habe vier Jahre intensiv dafür gekämpft, dass überhaupt jährliche Beurteilungsgespräche stattfinden.
     Nun bin ich gerade mal bei 40 Prozent Beteiligung angekommen.« In einer früheren Führungsposition in einem anderen Unternehmen
     war er oft der einzige von zehn Kollegen, der diese Aufgabe erfüllte. Andere Chefs wahren nach außen die Form. Die Gesprächsqualität
     ist jedoch fraglich. Konsequenzen hat beides in der Regel nicht, wenn es auf oberster Management-Ebene keinen starken »Sittenwächter«
     gibt, der konsequent die Umsetzung der Prozesse einfordert. Dennoch kann am Ende des Tages keiner wirklich prüfen, ob ein
     ausgefülltes Formular nun auf einem qualitativ hochwertigen Gespräch beruht und ob die darin vermerkten Inhalte richtig oder
     falsch sind. Das ist halt Sache des Vorgesetzten. Und so hängt es vom Anspruchsniveau des jeweiligen Chefs ab, was er aus
     der Sache macht – also nichts, wenn er an knallharten operativen Zielen gemessen wird.
    Man halte sich nur einmal kurz die Situation eines Meisters aus der Fertigung vor Augen. Er ist mit seiner Mannschaft das
     letzte |98| Glied in der Kette, bevor das Produkt zum Kunden rausgeht. Sein wichtigstes Ziel ist, dass die Produktion nicht stillsteht.
     Auf 300 Quadratmetern Fläche sind 50 Mitarbeiter damit beschäftigt, Kundenaufträge schnell, pünktlich und fehlerfrei abzuwickeln.
     Aufträge kommen vom Disponenten, der die Maschine belegt. Oft bewegt sich die Maschine an der Auslastungsgrenze. Eine neue
     müsste her, ist aber zu teuer, da es auch Zeiten mit weniger Auslastung gibt. Wenn die

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