Die Weiterbildungsluege
Vorbild trägt dazu bei, dass anfängliche Ablehnung in Akzeptanz
umschlagen kann. Ein Musterbeispiel für Beharrlichkeit ist für mich der Amerikaner Cyrus Field. Im vorletzten Jahrhundert
versuchte er anderthalb Jahrzehnte, das erste Transatlantikkabel über den Ozean von Irland nach Neufundland in Nordamerika
zu verlegen. Insgesamt 4 500 Kilometer Telegrafenkabel, 9 000 Tonnen schwer. Mehrmals war er gescheitert, sein Kapital ging
zur Neige und die Menschheit verspottete ihn. Trotz Enttäuschungen, Rückschlägen und Demütigungen vonseiten der Öffentlichkeit
bewies er einen eisernen Willen, um das gesteckte Ziel schließlich doch zu erreichen – und dann natürlich als »Vereiniger
der beiden Welten« gefeiert zu werden. 65
|180| Im normalen Alltag des Weiterbildungstransfers gibt es jedoch weder diese innere starke Überzeugung noch die Durchhaltekraft.
Stattdessen wird mit groß angelegten Weiterbildungen Geld verbrannt, wie der Bericht der bereits erwähnten Personalentwicklungsleiterin
aus dem Arbeitssicherheitsunternehmen ein weiteres Mal beweist. Sie arbeitete früher bei einem großen amerikanischen Konzern
aus der IT-Branche. Das Unternehmen schulte rund 6 000 Beschäftigte in Deutschland zum Thema Kommunikation und Kooperation.
Die Trainingsmaßnahme umfasste drei Blockseminare über jeweils drei Tage innerhalb von anderthalb Jahren. Die Führungskräfte
nahmen nicht an dem Programm teil. Die Mitarbeiter reisten für die Schulung in die Zentrale nach Süddeutschland. Die Personalentwicklungsleiterin
schwärmt: »Es war ein super Trainer. Also wirklich das beste Training, was man auf dem Markt kriegen kann. Es waren insgesamt
tolle Seminare.« Doch die Begeisterung der Teilnehmer versandete. Es dauerte nicht mal einen Monat, bis die Mitarbeiter alles,
was sie gelernt hatten, wieder über Bord warfen. Ein Lerninhalt war das Kommunikationsmodell »Vier Ebenen einer Nachricht«
von Friedemann Schulz von Thun. 66 »Den Teilnehmern war im Seminar klar geworden, dass das, was bei mir ankommt, nicht das sein muss, was der Sender beabsichtigte«,
so die Personalentwicklungsleiterin. Angesichts dieser Tatsache war den Mitarbeitern bewusst, wie wichtig Klärung und Nachfragen
ist. Gerade im Zusammenhang mit Projektarbeit war dies eine wichtige Erkenntnis. Denn Missverständnisse führen zu teuren Verzögerungen
oder Fehlern. Als dann aber die Teilnehmer im Sinne des Modells nachfragten, reagierten einige genervt: »Warum fragst du das
denn jetzt?« Nachfragen im Sinne des Modells wurde als lästig empfunden. Es dauerte und wirkte im hektischen Arbeitsalltag
gekünstelt. Und nicht nur Kollegen reagierten ungehalten, sondern auch die Vorgesetzten selbst. Wie erwähnt hatten sie nicht
einmal an der Seminarreihe teilgenommen. Und so kam es zu Aussagen wie: »Was soll denn diese ständige Nachfragerei? Ich habe
es doch jetzt schon |181| klar gesagt.« Damit war das Feuer der Umsetzungsbegeisterung erloschen und der Ofen endgültig aus.
Und damit sind wir beim entscheidenden Thema rund um Gruppendynamik angekommen: nämlich der Rolle des Vorgesetzten als offizielle
Leitfigur. Nach Meinung der Personalentwicklungsleiterin scheiterten die Seminare, weil die Vorgesetzten das neue Verhalten
weder begleiteten noch einforderten, sondern vielmehr zuließen, dass darüber gewitzelt wurde. Schnell war klar: Der Chef legt
keinen Wert darauf, dass das, was gelernt wurde, auch im Team umgesetzt wird.
Kobra, übernehmen Sie:
Gegen Gruppendynamik ist kein Kraut gewachsen
Und wieder ist der Chef schuld. Kommt Ihnen das nicht irgendwie aus dem »Teil II – Die Manager« bekannt vor? Nur sind wir
jetzt an einem essenziellen Punkt angelangt. Es geht nämlich um die Macht des Vorgesetzten und was er daraus macht, um die
Umsetzung von Weiterbildungsinhalten im Team zu erreichen. Von seiner Position hängt ab, ob förderliche Werte und Normen im
Team existieren und gelebt werden.
Um Ihnen das zu verdeutlichen, muss ich kurz auf das Phänomen der Hackordnung eingehen. Entstanden ist der Begriff vermutlich
deshalb, weil irgendein Landwirt an einem schönen Sonntagnachmittag auf seinem Hof beobachtet hat, welches Huhn welche anderen
Hühner »hackt« und von welchen es selbst gehackt wird. Das stimmt jedoch nur zum Teil. Die Beobachtungen haben in Wirklichkeit
Verhaltensforscher gemacht. Sie kamen dadurch zu Gesetzmäßigkeiten über die Machtverteilung beziehungsweise die
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