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Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gris
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durchaus filigraner – aber nicht weniger grausam. Sagte ich
     schon etwas über kleinhirnige Wüstenrennmäuse? Nicht nur sie haben wenig graue Zellen im Schädel. Bei einem 40 Jahre alten
     französischen Familienvater wurde nur die Hälfte der normalen Hirnmasse vorgefunden, als er wegen einer Beinschwäche ins Krankenhaus
     kam. Die Ärzte staunten nicht schlecht, so die Meldung. In seinem Kopf klafften große Hohlräume. Das schien ihn aber nicht
     weiter zu behindern. Er führte ein ganz normales Leben. Als Angestellter im öffentlichen Dienst. 60 Und das bringt mich zur Betrachtung von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen. Einer Hochburg von menschlichen Abwehrmustern
     gegenüber Neuerungen. Dort, wo Menschen arbeiten, die vermeintlich morgens nur kommen, um die Drehtüren zu bewegen und sich
     nach dem hastigen Einstempeln schnurstracks zu einem ausgedehnten Frühstück in die Kantine begeben. Und der Chef schaut weg.
     Wenn er nicht selbst irgendwo frühstückt. Doch die Geschichte, um die es geht, könnte genauso gut in der freien Wirtschaft
     passieren, denn die psychologischen Mechanismen unterscheiden nicht zwischen Staatsdienern und Angestellten. Abweichler von
     der Norm und von tradierten Gewohnheiten sind immer gefährdet, angefeindet oder sogar systematisch tyrannisiert zu werden.
     Wer nicht freiwillig aus der Gruppe ausscheidet, bezahlt einen hohen Preis. Er wird krank, irre oder springt von der Brücke.
    |174| Es gibt genau beobachtbare Abwehrmuster, wenn jemand ein neues Verhalten zeigt. Zum Beispiel ausgelöst durch den Besuch eines
     Seminars oder nach einem Coaching. Zunächst beginnt alles harmlos. Es gibt eine Irritation im Sinne »Was ist denn mit dir
     los? So kenne ich dich gar nicht«. Je nachdem, wie sehr eine Veränderung die Komfortzone der anderen berührt, kommt es zu
     Appellen wie »Sei wieder, wie du vorher warst«. Fruchten diese Bemühungen nicht, werden die nächsten Register gezogen. Die
     Palette reicht von unberechtigter Kritik über Abwertungen und Verspottung bis hin zu Nachrede und oft auch Beziehungsabbruch. 61 Das hängt ganz von den Charakteren in einer Gruppe ab, besonders den dominanten informellen Leitfiguren. Alle anderen machen
     aus Gründen der schon erwähnten Konformität mit. Denn sie wollen nicht selbst zur Zielscheibe werden.
    Diese Erfahrung machte auch Frau Schneider. Sie arbeitete seit einigen Jahren in der großen Verwaltung eines staatlichen Unternehmens.
     Die Sachbearbeiterin hatte eine besondere Fähigkeit. Sie fand alles wieder, was sie verlegt hatte. Für den Außenstehenden
     war dieses Talent nicht so offensichtlich. Da sah es mehr nach Chaos auf dem Schreibtisch aus. Ihr Ablagesystem entbehrte
     jeder Grundlage, die wir vernünftig nennen würden. Berge von Vorgängen stapelten sich. Überall lagen Ordner verstreut herum.
     Ihr Chef – ein gutmütiger Mensch, aber zugleich auch jemand, der vollen Einsatz von seinen Mitarbeitern erwartete – schickte
     sie aus diesen Gründen zu einem Zeitmanagement-Seminar.
    Dort ging ihr ein Licht auf. Das ganze Chaos beruhte darauf, dass sie nie »Nein« sagen konnte. Und die Überstunden vor dem
     PC könnte sie sich auch sparen, wenn sie es nur nicht allen Leuten immer recht machen wollte. Die Folgen ihres bisherigen
     Handelns hatten bereits Spuren in ihrem Privatleben hinterlassen. Mangels Sport hatte ihr Körper merkwürdige Formen angenommen.
     Und selbst ihr Hund, ein Golden Retriever, hatte die Notbremse gezogen. Und das sollte etwas heißen. Denn diese Rasse gilt
     als ruhig und geduldig. Unter Retriever-Haltern gibt es sogar den augenzwinkernden |175| Spruch: »Ein Golden Retriever vertreibt keinen Einbrecher, stattdessen freut er sich über den Besuch und hilft ihm, die Wertsachen
     aus dem Haus zu tragen.« 62 Aber diese Seele von Hund ist auch intelligent und merkt sehr wohl Vernachlässigungstendenzen. Und was tat der kluge Vierbeiner?
     Verschwand plötzlich über Nacht. Vermutlich das Herrchen gewechselt. Dieser undankbare Bastard.
    Ermutigt vom positiven Zuspruch aus der Seminargruppe kehrte Frau Schneider also zurück an ihren Arbeitsplatz. Um den guten
     Vorsatz auf keinen Fall zu vergessen, schrieb sie sich eine gelbe Haftnotiz und klebte sie an gut sichtbarer Stelle am Bildschirm
     fest: »NEIN sagen«.
    Erste Bewährungsprobe: 17 Uhr. »Nein, bei dieser Präsentation kann ich dir heute nicht mehr helfen. Ich bin zum Sport verabredet.«
     Sie ist stolz auf ihre Worte, auch wenn die

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