Die Weiterbildungsluege
Gegenseite mit Angriff reagiert: »Mensch Beate, du kannst mich doch nicht hängen
lassen. Das hast du noch nie gemacht.« – »Tut mir leid. Ich bin schon so oft in die Bresche gesprungen. Das musst du selbst
machen, ich muss auch mal an mich denken.« Die kryptische Miene des Kollegen erinnert an eine gemeißelte Keilschrift. Die
Worte dagegen kommen ihr eher spanisch vor: »Das merke ich mir. Dir helfe ich auch nicht mehr.« Frau Schneider denkt sich:
Nur nicht weich werden, und genießt still den Triumph. Insgeheim war schon längst der Zeitpunkt gekommen, mal klar zu sagen,
dass es so nicht weitergeht. Die Szene wiederholte sich einige Male, bis alles anders war. Der eine oder andere Kollege übersah
sie plötzlich geflissentlich, wenn er ihr zufällig begegnete. Im Fahrstuhl wurde sich bewusst von ihr abgewandt. Oft hatte
sie den Eindruck, es werde hinter ihrem Rücken gelästert. Wenn sie sich wie früher zu einem Grüppchen dazugesellen wollte,
löste sich die Kollegenschar schnell auf. Manchmal schnappte sie einige Wortfetzen auf: »Die ist doof.« Oder: »Die ist menschlich
voll daneben, lässt uns hier die ganze Arbeit machen.« Statt mir ihr zu reden, hatte sich der Informationsaustausch auf E-Mail
oder Notizzettelchen verlagert |176| . Die Formulierungen waren nur kurz und knapp. Wenn Frau Schneider freundlich nachfragte, was damit gemeint sei, antwortete
man nur widerwillig oder wimmelte sie ab: »Ich habe jetzt keine Zeit.« Oder verdrehte die Augen: »Hast du das schon wieder
nicht verstanden?«
Und so schwelte der Konflikt immer weiter. Längst sagte Frau Schneider nicht mehr »Nein«, sondern versuchte es allen wieder
recht zu machen, um die Anerkennung zurückzugewinnen. Doch der Zug war offensichtlich abgefahren. Sie fühlte sich hilflos
und unverstanden. Nach fünf Monaten stellten sich bei ihr massive psychosomatische Beschwerden ein. Sie litt unter Schlaflosigkeit,
Magen-Darm-Problemen und Herzflattern.
Frau Schneider war in die soziale Schusslinie des Teams geraten und dabei niedergestreckt worden. Für das, was ihr passiert
ist, gibt es viele Worte: Gruppendruck, Konflikteskalation, Psychoterror am Arbeitsplatz oder sogar Mobbing. Das Spiel dahinter
ist stets das gleiche. Da der Betroffene seine bisherige Rolle in der Gruppe verändert und die etablierten Spielregeln missachtet
hat, wird er sanktioniert. Und im Team von Frau Schneider gab es die Norm, vollen Einsatz für die Arbeit zu zeigen und sich
dabei gegenseitig zu helfen.
Die ganze Macht des Gruppendrucks entlädt sich jedoch nicht schlagartig. Der Prozess ist eher schleichend und nicht so offensichtlich.
Eine entscheidende Rolle nimmt dabei der informelle Führer ein. Seine Position schält sich im Rahmen von Gruppenentwicklungsprozessen
heraus. Wie erwähnt, richten sich an ihm die schwächeren Mitglieder aus. So entsteht das beschriebene Gruppendenken. Wenn
sich Gruppen bilden, setzt überraschenderweise auch oft der gesunde Menschenverstand aus. Und so lesen wir täglich in der
Zeitung von Vorfällen, wie Jugendliche oder Erwachsene in einer Gruppe Mutproben oder Verbrechen begehen, die man ihnen als
Einzelperson nicht zutrauen würde. Gruppendenken kann eben sehr schnell in eine falsche Richtung umschwenken. Innere Machtverhältnisse
und |177| Konformitätsdruck sorgen dafür, dass keiner gegen den Strom schwimmt.
Und genau diese Gesetzmäßigkeiten tragen dazu bei, dass nicht nur Weiterbildungseffekte beim Teufel sind, sondern der vorsatzfreudige
Kollege gleich mit – wenn er nicht schnell genug alle Vorsätze sein lässt. Und so zeigt dann auch die Praxis, dass Mitarbeiter
selten den Weg der Tränen gehen wie Frau Schneider, oder gar den sozialen Heldentod sterben wollen.
Trick 17 mit Selbstüberlistung: Training für das ganze Team
Der Clevere denkt nun: Statt den Einzelnen zu schulen, verabreicht man am besten gleich dem ganzen Team ein Training. Dann
haben alle das Gleiche erlebt und können sich bei der Umsetzung neuer Vorsätze unterstützen, statt sie zu unterminieren. Doch
wer so denkt, hat die Rechnung ohne die Gruppendynamik gemacht. Die Personalentwicklungsleiterin eines Unternehmens für Arbeitssicherheit
berichtete mir, wie Erkenntnisse aus Kommunikationstrainings zunichte gemacht werden, weil es in einem Team immer wieder ein
paar Leute gibt, »die es affig oder doof finden und dann eine negative Stimmungsmache betreiben«. Eine
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