Die Weiterbildungsluege
|184| hat. Doch der Reihe nach. Ihre Gegenspielerin hieß Marion und war 29 Jahre. Fast ein Jahr machte sie einen sehr guten Job.
Sie arbeitete schnell und gut. Mit der Zeit wurde sie langsamer. Um nicht zu sagen: Sie hatte das eigene Tempo dem einer Nacktschnecke
angepasst. Dann fiel der Marktleiterin auf, dass die junge Frau immer häufiger widerwillig reagierte, wenn sie ihr einen Auftrag
erteilte. »Kümmern Sie sich bitte da vorne um den Schalenbereich.« Die Antwort war ein Augenrollen mit verzogenen Mundwinkeln.
Natürlich sprach die Marktleiterin die Mitarbeiterin darauf an. Auch auf ihre nachlassende Leistung. Pampig und arrogant meinte
diese: »Nur die anderen sind lahm. Ich bin eine der Besten. Sie wollen es sich doch wohl nicht mit mir verscherzen?« Der Angriff
auf die offizielle Leitung war eröffnet. Marion war übrigens nicht allein. Sie hatte zwei treue Anhängerinnen im Team, mit
denen sie stets konspirativ zusammenhockte. Die Dreiertruppe verbreitete Angst wie eine Horde Heuschrecken. Sie fraßen zwar
nicht alles nieder, aber ihre Verbalattacken ließen auch keinen Halm stehen. Die übrigen Mitarbeiter hatten Angst vor den
provokanten und abwertenden Sprüchen, die nur eines klarstellten: »Wir sind hier die Besten und ihr seid nichts.« Im Pausenraum
lästerte die eingeschworene Truppe wild über die anderen Mitarbeiter. Betrat dann einer der anderen den Raum, herrschte abrupt
Grabesstille. Das wäre auch jedem Toten zu viel gewesen.
Marion war also etwas Besseres. Sie zeigte es jedem. Das führte dazu, dass keiner der anderen Kollegen mehr mit ihr zusammenarbeiten
wollte. Bald kam der Punkt, dass Marion den Posten der Marktleitung für sich beanspruchte. Sie scheute dazu keine Mittel.
Hinter deren Rücken machte sie die Marktleiterin bei deren Chef schlecht. Die Vorwürfe reichten von falschen Bestellungen
bis hin zu mangelnder Mitarbeit.
Der Chef der Marktleiterin ließ sich davon nicht beeindrucken. Um die Schlagkraft von Marion und ihren Gefolgsdamen zu vermindern,
wurde schließlich ein Arbeitsplan aufgestellt, der sie trennte. Da sie aufgrund der früheren Erfahrungen eigentlich eine |185| gute Kraft war, wollte man sie halten. Doch man hatte die Rechnung ohne den Dreiertrupp gemacht. Sie überwanden Arbeitseinteilung
und Schichtsystem, indem sie länger blieben oder ihre Pausen verschoben, um sich gegenseitig besuchen zu können.
Die Lösung für das Problem kam eher zufällig. In der Nachbarfiliale wurde dringend Personal gesucht. In Abstimmung mit ihrem
Chef nutzte die Marktleiterin die Gunst der Stunde. Sie machte der Mitarbeiterin klar, dass sie nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten
wollte – außer sie würde sich grundlegend ändern. Als Alternative offerierte sie ihr die Stelle in der nahen Nachbarfiliale,
die sie annahm. Nach ihrem Fortgang war der Rest des Teams wie ausgewechselt. Plötzlich herrschte Ruhe und friedliches Arbeiten.
Nur in der anderen Marktfiliale begann nach etwa einem halben Jahr das Drama von vorn. Marion hatte wieder zugeschlagen.
Die Macht des Gegen-Alpha und seiner Gefolgschaft erleben Vorgesetzte täglich. Nur leider können sie dagegen in der Regel
nicht viel ausrichten. Denn weder können sie die Gegenspieler versetzen noch kündigen. Dem im Kapitel 2 erwähnten Kündungsschutzgesetz
sei dank. Und so steht der Vorgesetzte – wissend um alle Gesetze der Gruppendynamik – mit gebundenen Händen da. Es ist an
dieser Stelle fast nebensächlich zu erwähnen, dass im Arbeitsalltag ganz andere Dinge aufgrund dessen auf der Strecke bleiben
als die Umsetzung von Weiterbildungsinhalten.
Doch halt. Da gab es doch jemanden für unmögliche Aufgaben. Kobra hieß er, glaube ich. Das war der Held aus der amerikanischen
Geheimagenten-Serie, der jedes Mal zu Beginn einer Folge einen kniffligen Auftrag von Mister Phelps bekam, der mit den Worten
endete: »Sollten Sie oder jemand aus Ihrer Spezialeinheit gefangen genommen oder getötet werden, wird der Minister jegliche
Kenntnis dieser Operation abstreiten. Dieses Band wird sich in fünf Sekunden selbst vernichten. Viel Glück, Jim. Kobra, übernehmen
Sie!«
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|186| Kapitel 8
Schuss ins Leere
Zwischen Gießkanne und Elfenbeinturm
»Eine Gießkanne, auch Sprenger genannt, ist ein Gefäß zur Bewässerung von Pflanzen. Bestandteile der Gießkanne sind Gefäß,
Griff, Tülle und Brausemundstück. Sie ist das am weitesten verbreitete
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