Die Weiterbildungsluege
ohne Absprache mit dem nationalen Standort zu einer
Maßnahme ein. Genauso üblich seien »Hoppla-Hopp-Aktionen«, die ohne lange Vorankündigung über den Standort hereinbrechen und
Ressourcen auffressen. Und wer nun glaubt, das ließe sich mit einem klärenden Gespräch lösen, irrt. Denn hier kommen kulturelle
Eigenheiten zum Tragen. »Wir erleben im internationalen Kontext, dass man mit ausländischen Kollegen Themen diskutiert und
Vereinbarungen trifft. Kaum sind sie zu Hause, machen sie es ganz anders und wir haben keine Einflussmöglichkeiten.« Deutsche
Verbindlichkeit? Fehlanzeige.
Länderübergreifende Programme berücksichtigen auch nicht kulturelle Unterschiede und laufen dadurch ins Leere. Wenn in Deutschland
ein amerikanischer Referent mit Euphorie in der Stimme Unternehmenswerte schult, gehen die Führungskräfte mit einem milden
Lächeln aus der Veranstaltung und wissen, dass sie alle Folien, Flyer und dieses Pathos besser nicht weitergeben, weil ihre
Mitarbeiter sonst glauben, sie seien in Disney World. Man könnte das Verhalten wohlwollend einen taktischen Boykott nennen.
Die Schulungsambitionen in Konzernen bewirken das Gegenteil |204| und das ist dann nicht mal mehr eine Schulung mit der Gießkanne, sondern mit einer Wasserbombe.
Doch die Betroffenen der Weiterbildung wissen, dass man strategisch wichtigen Programmen nicht ausweichen kann. Die Ansage
kommt von oben. Also geht man hin. Klassische Themen sind Kundenorientierung, Kommunikation, Verkauf, Qualität, Führungsleitlinien
oder Kultur.
Zwangsverpflichtet:
Die Folgen von ausgerollten Programmen
Wie hat es mir mal ein Teilnehmer so schön zu Beginn eines Seminars gesagt: »Durch Weiterbildung wird man nicht dümmer.« Ein
anderer meinte: »Man nimmt immer irgendwo was für das Tagesgeschäft mit. Ich kann es aber nicht beziffern.« Solche Teilnehmer
sind wenigstens nicht aggressiv, wenn sie zu einer Veranstaltung zwangsverpflichtet werden. Die Formen des Widerstands nehmen
ein breites Spektrum ein. Vom angepassten freundlichen Mitmachen bis hin zur unverhüllten Gegenwehr. Besonders zum Einstieg
einer Pflichtveranstaltung weht dem Trainer zuweilen das Klima eines offenen Eisfachs entgegen. Auch wenn die Zielgruppen
und Themen unterschiedlich sind, das Szenario wiederholt sich auf kuriose Weise. Da sitzen sie dann mit verhärteten Mienen
und mehr oder weniger verschränkten Armen. Erste Annäherungsversuche des Trainers: »Was erwarten Sie sich für den Tag?« Antwort
im Telegrammstil. »Keine Ahnung.« Und ein anderer fügt an: »Ich bin nur hier, weil es eine Pflichtveranstaltung ist. Ist Anwesenheitspflicht.
Ich bin geschickt worden.« Oft sind es Einzelstimmen. Aber es gibt auch Fälle, in denen dem Trainer geballte Lustlosigkeit
entgegenschlägt. Dann weiß er, dass er zu diesem Zeitpunkt noch weit davon entfernt ist, inhaltlich loszuarbeiten. Vielmehr
stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, überhaupt weiterzumachen. Ich erinnere mich an eine solche Situation, als ich die
Teilnehmer fragte: »Sollen wir die Veranstaltung an diesem Punkt beenden?« Plötzlich |205| hellten sich die Gesichter auf. Einer der Anwesenden brachte es für die Gruppe auf den Punkt: »Ach, wir können ja mal anfangen,
sonst kriege ich Stress mit meinem Chef.« Gefängnispsychologen kennen dieses Verhalten als sozial erwünschte Anpassung. Der
gut erzogene Knacki weiß stets zum rechten Zeitpunkt, was er sagen muss, damit er früher auf Bewährung freikommt. Der dienstbeflissene
Trainer ahnt dann schon, dass er das kleinere Übel in dem Spiel ist, und denkt an seinen Tagessatz, um die nächsten Stunden
zu überstehen. Denn er weiß, wie am Ende die Rückmeldungen aussehen. Erfahrungsgemäß kommen Sätze, die förmlich vor Veränderungsleidenschaft
brennen. »War mal interessant, die Probleme anderer zu hören.« Oder: »Die Leute hier waren sehr gut.« Oder: »Könnte man ja
mal versuchen, wenn Zeit da ist.« Oder der Mont Blanc der Umsetzungsfreude: »War ganz interessant, könnte ich mal drüber nachdenken,
ob ich da nicht vielleicht etwas mit machen könnte.« Jeder Trainer kennt solche Situationen aus der Realität. Es ist drei
Meilen gegen den pfeifenden Wind hörbar, dass das Seminar keine Früchte tragen wird.
Diese Erfahrung hat auch die Personalentwicklerin eines Chipkartenherstellers gemacht. Sie berichtete mir außerdem von einem
anderen Unternehmen, in dem jeder Mitarbeiter fünf
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