Die Weiterbildungsluege
Organisation eingreifen heißt die Devise. Heraus kommen dabei PE-Programme,
die die Welt nicht braucht. Und so ist der Personalentwickler der schlimmste Feind im eigenen Unternehmen.
Eine selbstkritische Mitarbeiterin aus diesem Bereich in einem Unternehmen für Arbeitssicherheit kennt aus eigener Erfahrung
die abgehobene Personalentwicklung aus Konzernstrukturen: »Die PE hat tolle Ideen, mit tollen Trainern zu tollen Themen …
Wir in der Zentrale haben uns auch tolle Sachen ausgedacht, die aber am Bedarf der einzelnen Niederlassungen voll vorbeigingen.«
Eine gut situierte Dependance buchte schließlich jemanden, der sie verstand. An der Zentrale vorbei, versteht sich. Offiziell
gab es auch keinen Etat, um einen externen Trainer verpflichten zu können. Aber irgendwo finden sich immer ein paar unergründliche
Geldquellen. Der Coach sollte dann ein vernünftiges Konzept zur Einführung von Mitarbeitergesprächen entwickeln und die Umsetzung
begleiten. Denn das bereits vorhandene konzerngebundene Standardkonzept taugte für die Niederlassung nichts. Mit dem Trainer
vor Ort konnte dann auch der etwas eigenwillige Betriebsrat ins Boot geholt werden.
Was die Basis denkt, bekommen die Programmmacher im Elfenbeinturm nicht mit. Vor lauter Strategie sehen sie den Wald |202| vor Bäumen nicht. Eine Personalentwicklerin aus der Automobilbranche berichtete mir: »Personal kann so stark strategisch aufgeladen
sein, dass man dabei vergisst, seine eigentliche Aufgabe zu machen. Nämlich den internen Kunden zu betreuen.« Man werde durch
die strategische Ausrichtung so abgehoben, dass man nicht mehr mit einem Industriemitarbeiter reden könne. Die Umstände der
Arbeitssituation entfremden PE und Basis einander. »Man verwaltet irgendwann Personal, statt es zu unterstützen. Bestimmte
Software-Systeme fördern dieses Denken, da jeder Mitarbeiter nur noch eine Nummer ist. Die Betreuungsspannen werden immer
größer, der direkte Kontakt fehlt.« Während auf höheren Ebenen Themen wie Work-Life-Balance und Sabbatical Year leidenschaftlich
diskutiert werden, beschäftigt den Mann am Band, dass er aufgrund von Personalengpässen nicht dazu kommt, seine vorgeschriebenen
Pausen zu machen. Zwei Welten und Sprachen prallen aufeinander, ohne dass ein Übersetzer in Sicht wäre. Wie heiß dieses Eisen
ist, bemerkte ich im Kontakt mit einer Personalentwicklerin aus einem Energiekonzern. Mitten im Erzählfluss stockte die Dame
und sagte: »Wenn ich an diesem Punkt konkreter werde, ist sofort klar, dass es von mir stammt.« Folglich versprach ich, ihre
genaue Funktion nicht näher zu benennen und alle heiklen Punkte zu verschweigen. Auch in diesem Fall geht es um Zentrale und
Basis. Allerdings mit internationalen Ausmaßen. Die Protagonisten auf der Bühne der Weiterbildung sind zum einen eine Personalentwicklungsabteilung
in der ausländischen Zentrale, zum anderen dezentrale Einheiten. Darunter auch am deutschen Standort. Die Opfer sind Menschen
in aller Welt, die Programme übergestülpt bekommen. Garniert ist das Ganze noch mit einem Schuss kultureller Knackpunkte und
ins Endlose gehender Kosten. Ist aber nicht schlimm, weil der Konzern das aus der Portokasse bezahlt. »Die Kollegen in der
ausländischen Zentrale sitzen im Wolkenkuckucksheim«, meinte die Personalentwicklerin. »Da wird freudestrahlend eine Mitarbeiterbefragung
auf die Beine gestellt und hier und da ein Programm gemacht und alle müssen es ganz |203| toll finden. Und auf der anderen Seite ächzt der Kollege im Kraftwerksbereich, weil er nicht weiß, wie er seinen Alltag bewältigen
soll. Dass bei dem die Sicherungen durchglühen, wenn er Entwicklungsmaßnahmen mitmachen soll, ist klar.« Doch die Zentrale
sei abgehoben und träfe mit den Programmen nicht ins Schwarze. Genauso sei es bei diversen Managementprogrammen, die sich
doppelten. In einem Programm sollten die Führungskräfte etwas über Konzernstrukturen und neue strategische Ansätze lernen.
Dazu gehörte auch, Entscheider in Regionen zu treffen und mit Kollegen Networking zu betreiben. Eine gute Idee mit viel Reiseaufwand
rund um den Globus. Beim zweiten oder dritten Mal prickelte es dann nicht mehr. Hinzu kam aufwändige Projektarbeit, die neben
dem eigentlichen Job zu leisten war. Die Personalentwicklerin berichtete von einem weiteren Charakteristikum ihres Unternehmens:
Die Konzernzentrale greift gern direkt auf ihre Zielgruppe zu und lädt sie
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