Die Weiterbildungsluege
Kunden draufsteht. Verwunderlich ist das alles nicht. Denn wenn es um Führung geht, ist die Welt ja nicht
grundsätzlich verschieden. Außer man macht ein Führungsseminar für Al Kaida.
Doch wenn man es genau betrachtet, müsste doch eine Schulung so aussehen, dass der Trainer für jede Führungskraft das genaue
Profil kennt. Wenn der Teilnehmer dann zum Beispiel in der Kompetenz »Führungsfähigkeit« im Unterkriterium »Entwickelt und
fördert Mitarbeiter entsprechend Leistung und Fähigkeiten« eine schlechte Bewertung hat, dann müsste solch ein strategisch
abgeleitetes Training doch eigentlich dazu beitragen, dass der Teilnehmer in diesem Punkt eine höhere Bewertung bekommt. Sie
ahnen sicher schon, was an Aufwand betrieben werden muss, um überhaupt klar herauszuarbeiten, welche konkreten Schwächen sich
im Einzelfall hinter dem noch recht globalen Unterkriterium verbergen. Nun ist es damit noch nicht genug. Wenn man mehr als
100 Führungskräfte für ein Programm hat, wäre es nötig, sie so zu Gruppen zusammenzuführen, dass sie in den rund 60 Unterkriterien
der sieben Kernkompetenzen möglichst gleiche Schwächenprofile haben, die dann im Rahmen von bedarfsgerechten Trainingsmodulen
ins Positive zu entwickeln wären. Ganz schön komplex, oder? Geschweige denn realistisch. Zumal der Teilnehmer selbst erfahrungsgemäß
eine ganz andere Bedarfslage hat.
Doch das sind Gedankenspiele für Personalentwickler. Für den Trainer zählt im Grunde nur eines: Die Teilnehmer müssen das
Seminar zufrieden verlassen. Sie erinnern sich an den Beginn des Buches: Der Trainer fragt am Anfang jeder Einheit die Erwartungen
und Bedürfnisse ab. Aufgrund von Erfahrungen liegt der Seminarleiter mit seinem Programm recht gut am Puls der jeweiligen
Gruppe. Alles andere ist flexibles Arbeiten – neudeutsch: prozessorientiertes |198| Vorgehen. Das bedeutet nichts anderes, als jederzeit aus dem eigenen Repertoire das aus dem Ärmel zu zaubern, was hilft, dass
die Gruppe am Ende zufrieden ist. Am besten kommen immer Rollenspiele zu persönlichen Fragestellungen aus der Praxis an, zu
denen dann gemeinsam mit dem Teilnehmerkreis Lösungen entwickelt werden. Auch Persönlichkeitstests werden gern genommen. Genauso
wird aber auch gearbeitet, wenn der Trainer in ein Unternehmen kommt, in dem es weder wohlformulierte Visionen, Leitlinien,
Ziele noch Kompetenzen gibt. Ist er routiniert, kann er aus dem Stand ein dreitägiges Führungsseminar veranstalten, was bei
den Teilnehmern gut ankommt. Der Unterschied ist also nur, dass das Unternehmen sich intensiv mit sich selbst beschäftigt
hat, um einen Rahmen für das Programm zu haben. Auch die Zuhörer denken zu keiner Minute an das Drumherum. Sie haben ihren
ganz persönlichen Bedarf. Und an diesem Punkt braucht es den kompetenten Trainer, der gut an der Gruppe andockt. Das kann
aber nicht jeder. Ein Personalentwickler aus der Medizintechnik erzählte mir von einem Trainer Marke Altes Zirkuspferd. »Der
hat einfach seine 08/15-Show abgezogen. Ich war sehr unzufrieden mit dem.« Für so einen Kollegen kann ich kein Bedauern empfinden.
Wer sich so schlecht verkauft, den kegelt der Markt aus dem Geschäft. Und Tschüss. Verschenkte Weiterbildungsgelder beruhen
eben auch auf Trainern, die sich nicht für ihre Kunden interessieren. Ebenfalls Klassiker für Geldverbrennung sind zu abstrakte
oder theoretische Trainer. Noch ein anderes typisches Beispiel zeigt, dass strategisch abgeleitete Weiterbildungsmaßnahmen
genauso wenig Mehrwert haben wie die Gießkannen-Praxis. Ich erfuhr es von einer Personalentwicklerin, die in einem Unternehmen
arbeitet, das technische Komponenten herstellt. Wenn so ein Teil beim Kunden ausfällt, führt dies zu hohen Regresskosten.
Deshalb verfolgt die Unternehmensleitung eine Politik mit dem Ziel »Null Fehler«. Im Zuge von Qualitätsoffensiven sind die
Beschäftigten aufgerufen, im Produktentwicklungsprozess eine spezielle Methode zur vorbeugenden Sicherung der Qualität anzuwenden
und Fehler, wo es nur |199| geht, zu vermeiden. »Wir haben nun festgestellt, dass dieses Tool von Vorgesetzten und Mitarbeitern nicht konsequent genutzt
wird. Sie empfinden das software-unterstützte Verfahren als zu zäh und zeitaufwändig«, erzählte mir die Personalentwicklerin.
Pikanterweise fällt es nicht weiter auf, wenn die Bereiche das Tool einfach weglassen oder pro forma anwenden. Die übliche
Praxis ist, dass
Weitere Kostenlose Bücher