Die Welfenkaiserin
Töpferwarenhändler, seien auf der Durchreise und wollten sich rasch an etwas Gutem laben. Arne, der bei Harald Klaks Anblick schon gefürchtet hatte, die Vorräte der Abtei würden nicht ausreichen, um das riesige und bekanntermaßen trinkfreudige Gefolge zu verköstigen, mit dem der Dänenkönig zu reisen pflegte, nickte zustimmend. Das tat er auch, als ihm Ruadbern wenig später den Plan zur Befreiung der Kaiserin unterbreitet hatte. Schließlich entsprach dieser ziemlich genau dem Vorschlag, den Arne schon am ersten Tag gemacht hatte, nämlich die Wachen zu überwältigen und die Kaiserin aus dem Turm herauszuholen. Offenbar hatte Ruadbern inzwischen einen Ort im Reich ausfindig gemacht, an dem die Kaiserin vor ihren Feinden geschützt war. Arne gab allerdings zu bedenken, dass man weder dem Grafen von Lucca noch dem Bischof von Verona vertrauen könne. Beide Herren hätten die Kaiserin inzwischen aufgesucht. Nach seiner Rückkehr vom Turm habe der Graf im Gastraum zu einem Fest geladen und die Haft der Kaiserin ausgelassen gefeiert. Der Bischof sei noch am Tag seiner Anreise wieder heimgekehrt. Was in der Abtei, wo diverse Unregelmäßigkeiten zu vertuschen waren, große Erleichterung und ein erneutes Trinkgelage ausgelöst hatte.
In seine nordische Tracht gehüllt, meldete sich Harald Klak am nächsten Tag angeblich im Auftrag Kaiser Lothars bei den Wachen an. Der Vollbärtige musterte den seltsam, aber edel gewandeten Herrn, nahm ihn zur Seite und murmelte, der Kaiser habe gewiss bedacht, wie teuer eine solche Gefangene ihre Bewacher zu stehen komme. Harald Klak entfernte die Fibel, die seinen Mantel zusammenhielt, legte nach kurzer Überlegung die Nadel mit dem silbernen Kreuz und dem goldenen Thorhammer dazu und drückte die Schmuckstücke dem Mann in die Hand. Der Vollbärtige biss auf den Thorhammer, grinste breit und ging Harald Klak die Treppe hinauf voran. Wie abgesprochen stürzten daraufhin Arne und Ruadbern, die vor dem Tor gewartet hatten, hinein und schlugen den gänzlich überrumpelten rundlichen Wächter zusammen. Der Vollbärtige hielt inne, als er den Lärm von unten hörte. Harald nutzte die Gunst des Augenblicks, drückte sich an die Wand, riss den Vollbärtigen von den Füßen und warf ihn die Treppe hinunter. Ohne sich weiter um ihn zu bekümmern, stürmte er nach oben, schob den Riegel zur Seite und stürzte in die Kammer. Dabei hätte er Judith, die hinter der Tür den ungewohnten Geräuschen lauschte, fast umgerannt. Er machte nicht viel Federlesens, ergriff die Kaiserin um die Mitte, warf sie sich wie einen Sack über die Schultern und stieg, trotz ihres lautstarken Einwandes, sie könne selbst gehen, so mit ihr die Treppe hinab.
»Sie werden mit Kopfschmerzen erwachen«, bemerkte Ruadbern und deutete auf die reglosen Wachen am Boden. Harald Klak setzte Judith ab, zog dem Vollbärtigen die Schmuckstücke aus der Tasche und befestigte sie wieder an seinem rotwollenen Umhang.
Jetzt erst war er bereit, seine Schwester, die Kaiserin, in aller Form zu begrüßen. Die ihm herzlich dafür dankte, wieder zum rechten Zeitpunkt in ihrem Leben aufgetaucht zu sein.
Als sie den unwirtlichen Turm verließen, brannten Judith die Strahlen der frühen Morgensonne wie Feuerpfeile in den Augen. Sie hängte sich bei Ruadbern ein und schloss die Lider.
»Eigentlich müsstest du jetzt wie ein Rind nach den Wintermonaten im Stall Riesensprünge machen«, bemerkte Ruadbern scherzend, als er die Kaiserin über den Holzsteg zu dem für sie bereitgestellten Ross führte, auf dem ein Gewand lag. »Dabei steht der Herbst vor der Tür.«
»Das Licht schmerzt«, sagte sie, blieb stehen, streifte sich das Kleidungsstück über und barg ihr Gesicht an Ruadberns Schulter. Wie gut es doch nach den Monaten der Einsamkeit tat, einem lieben vertrauten Menschen nahe zu sein!
»Schnell, Schwester«, drängte Harald Klak. »Lothars Männer werden bald hier sein.«
Judith blickte blinzelnd an sich herab.
»Etwas Besseres konntet ihr nicht finden?«
»Nein, Schwester Agnes«, antwortete Ruadbern, »es war schwer genug, einer Benediktinerin die Kutte abzunehmen.«
»Dafür wirst du in der Hölle braten.«
»In deiner Gesellschaft gern.«
»Ach, Ruadbern …«
Mit ihren frischen Pferden waren sie sich eines guten Vorsprungs gewiss. Über das Ziel der Reise ließ Ruadbern Judith vorerst im Unklaren. Ihren Vorschlag, sie bei ihrem nach Altdorf zurückgekehrten Bruder Konrad zu verstecken, lehnte er ab.
»Da werden
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